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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok
Autoren: David L. Lindsay
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Danach gingen die beiden Jungen die leichte Steigung der Straße hinauf und schauten sich noch einmal um, ehe sie um die Ecke verschwanden.
    »Was glaubst du?« fragte Leo, während er die dichten Bäume und Büsche betrachtete, welche die einzelnen Häuser schützend umgaben. Diese Grünzonen waren ein Vorzug, der von den Grundstücksmaklern nicht stark genug hervorgehoben werden konnte.
    »Sie hatte keine Unterwäsche an«, sagte Haydon und betrachtete immer noch das Haus.
    »Ja. Ich hatte schon fast damit gerechnet, daß man sie ihr als Knebel in den Mund gesteckt hätte.«
    »Lewis meint, sie hat nicht sehr lange im Wasser gelegen. Vielleicht sollten wir das Ufer in dieser Gegend genauer ins Auge fassen.«
    Leo zuckte mit den Schultern.
    Die Kühle der Nacht wich rasch der Wärme des Vormittags. In einer halben Stunde würde es heiß werden, und in einer weiteren Stunde drückend und schwül. Vom Golf, der achtzig Kilometer entfernt war, zogen Wolken herauf. Es würde nicht zum Regnen kommen, aber bis gegen Mittag würde man sich bei der Schwüle nach einem erfrischenden Guß sehnen.
    Leo zog sein Sportsakko aus und warf es auf die Motorhaube des Wagens. Er wischte sich die fettige Stirn mit einem Taschentuch und nahm eine Packung Pfefferminzbonbons heraus. Er fraß diese Bonbons gegen Mundgeruch, seit er zu rauchen aufgehört hatte.
    Haydon blieb im Wagen sitzen und starrte durch die offene Tür ins Freie. Er trug einen pergamentfarbenen Sommeranzug von Uomo, dazu ein blütenweißes Hemd und eine dunkle, graubraune Krawatte. Später am Tag, wenn die Hitze unerträglich wurde, würde er vielleicht das Sakko ausziehen, aber die Krawatte würde keinesfalls auch nur gelockert werden. Sein sandfarbenes Haar wies an den Schläfen graue Strähnen auf, und wenn man ihn genauer ansah und sich auf die braunen Augen mit den ambrafarbenen Flecken konzentrierte, sah man erste Fältchen in den äußeren Augenwinkeln, die sich nach unten zogen, wenn er lächelte – was in letzter Zeit freilich nur selten vorkam. Sein Gesicht hatte einen leichten Olivton, eine schöne, gerade Nase und Lippen, die man weder als schmal noch als voll bezeichnen konnte. Er war genau einsachtzig groß und schlank.
    Leo wandte sich an Haydon. »Warum hast du eigentlich das Angebot zur Beförderung nicht angenommen?«
    Haydon starrte immer noch über die Straße auf das Haus, aber Hirsch sah die Andeutung eines Lächelns auf dem Gesicht des Kollegen, das rasch wieder erstarb.
    »Ich habe mich offenbar in dir geirrt«, sagte Haydon. »Ich dachte, du würdest mich schon auf der Fahrt hierher danach fragen.«
    »Ich habe gelernt, mich zu beherrschen«, erklärte Hirsch und grinste. Mit seinen Sechsundzwanzig war er zehn Jahre jünger als Haydon und sah sogar noch jünger aus mit seiner Vorliebe für Designer-Jeans und Leinenhemden mit Button-down-Kragen. Er trug noch immer dieselbe Pilotenbrille wie auf dem College und war in gewisser Weise typisch für die neue Generation, der man immer häufiger auf den Polizeiakademien begegnete. Er war nicht durch Zufall zur Polizei gekommen wie viele der Altersgenossen von Haydon, hatte seine Karriere vielmehr sehr sorgfältig vorbereitet und ein Diplom in Psychologie und zwei Jahre Strafrecht an der Universität von Texas studiert, ehe er in die Akademie eingetreten war. Seine Einstellung gegenüber der Legislative glich mehr der Haltung des Friedenskorps aus der Kennedy-Ära als der jener Männer, die aus der Akademie gekommen waren, um in den sechziger und frühen siebziger Jahren die Rebellionen der jungen Leute zu bekämpfen.
    Haydon antwortete nicht auf die Frage von Hirsch; es schien, als habe er sie völlig vergessen. Dann, gerade als Hirsch nachhaken wollte, erklärte Haydon: »Ich dachte, ich warte erst mal, bis ich vierzig bin.«
    »Was?«
    Der Lautsprecher zischte; Haydon beugte sich vor und drehte die Lautstärke auf. Die Frequenz des Morddezernats befand sich auf einem anderen Kanal als die der üblichen Abteilungen; normalerweise waren die Übertragungen sehr deutlich und recht informell.
    »Haydon?« Lieutenant Dystal sprach langsam und klar, mit dem Tonfall eines stiernackigen Südstaatlers. »Ich habe eine Hausbewohnerin für Sie. Eine Puppe namens Sally Steen, ich buchstabiere: S-T-E-E-N, zweiundvierzig Jahre alt. Hat eine lange Latte wegen Prostitution. Meistens als Callgirl, für die besseren Freier. Ich glaube, Ed Mooney hat mit ihr mehr zu tun gehabt als alle anderen bei der Sitte. Er könnte
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