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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok
Autoren: David L. Lindsay
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ihr die andere Hand auf die Schulter und packte sie dann mit aller Kraft, als wollte er sie beruhigen und ihr auf diese Weise zu verstehen geben, daß sie nicht allein war. Silva hatte die Blinklichter eingeschaltet, damit es der Krankenwagen leichter hatte, die Stelle zu finden, und das kirschrote Licht streifte das Gesicht der jungen Frau alle zwei Sekunden wie ein pulsierendes inneres Feuer, das sie zu verzehren drohte.
    »Ich weiß nicht«, sagte Walther laut ins Leere. »Ich habe keine Ahnung.« Er hatte seine Verletzung vergessen; dabei war die ganze linke Seite seines Gesichts blutverschmiert. Das Blut tropfte immer noch auf das verzerrte Gesicht und das Haar der jungen Frau.
    Die Stimmen aus dem Funkgerät bellten teilnahmslos, durchsetzt vom Knacken der Statik. Weit entfernt im Zentrum der funkelnden Stadt war jetzt eine Sirene zu hören, die sich ihnen näherte.
    In der Dunkelheit, zwanzig Meter vor ihnen, wo der Zaun endete und sich die Böschung hinunter zum schmutzigen Wasser des Kanals senkte, tauchte der Köter wieder auf. Halb ins hohe Gras geduckt, hob er leicht seine blutige Schnauze und suchte in der Nachtluft nach einem Hinweis, der ihm die seltsame Szenerie mit den roten Lichtblitzen erklären konnte. Plötzlich schnupperte er etwas, das kurze Haar auf seinem knochigen Rücken stellte sich auf, dann drehte er sich bedächtig um und verschwand in die Deckung der Dunkelheit, hinunter zum Wasser.

2
     
    Stuart Haydon trat einen Schritt vom schmierig-grünen Wasser des Buffalo-Sumpfsees zurück und beobachtete die Strahlen des ersten Sonnenlichts, die durch die Kiefern brachen und auf den weißen Overalls der drei Männer spielten, welche sich bemühten, den Körper der Frau auf die Sandbank zu ziehen. Ein dünner Dunstschleier hing über dem Wasser. Haydon mußte an eine moderne Version der Frau vom See denken.
    Er warf einen Blick über die Schulter auf die drei Gestalten, die schweigend im feuchten Gras standen, ein paar Meter weiter oben auf dem sanft geneigten Abhang. Leo Hirsch sollte die Aussagen der beiden Jungen festhalten, welche die Tote gefunden hatten, aber jetzt, wo die Frau ausgestreckt auf der Sandbank lag, hatten sich die drei umgedreht, um den tropfnassen Leichnam zu betrachten. Eine cremeweiße Brust hing verführerisch aus dem Ausschnitt der Hemdbluse, und der nasse Rock bauschte sich um ihre Taille, so daß man eine Stelle festgeklatschten, schwarzen Haars zwischen den langen, wächsernen Beinen sehen konnte. Ein Schenkel war dunkel beschmiert mit dem öligen Schlamm des Sees.
    Der Polizeifotograf, der die Leiche bereits mehrmals fotografiert hatte, als sie noch im Wasser trieb, umkreiste die Tote wie ein Geier und konzentrierte sich mit voyeuristischer Genauigkeit darauf, während er näher herankam, um Großaufnahmen zu machen. Als er damit fertig war, legte der Assistent des Coroners, mit einer merkwürdigen Vorstellung von Schicklichkeit, ein kleines Handtuch auf das Gesicht der Toten.
    Haydon schaute sich wieder um. »Sprich jetzt mit ihnen, Leo«, forderte er Hirsch auf, ging dann zu dem Leichnam hin und hockte sich davor nieder. Der Assistent des Coroners versuchte der Toten den Rock auszuziehen.
    »Laßt sie doch, wie sie ist«, sagte Haydon. »Oder haben Sie etwas gesehen? Blutergüsse oder so? Etwas, das wir untersuchen sollten?«
    »Nichts.« Er war ein junger Mann, etwas untersetzt, mit kurzem Messerhaarschnitt, einer vom Haarspray steifen Frisur und einem buschigen Schnauzbart, der trotz aller Bemühungen buschig blieb. »Es sieht auch nicht so aus, als ob sie zuvor in einen Kampf verwickelt gewesen wäre.« Er strich durch ihr strähniges Haar. »Sie hat wahrscheinlich nicht länger als drei oder vier Stunden im Wasser gelegen. Ihre Finger und die Fußsohlen sind faltig, aber sie ist noch kaum aufgequollen.«
    »Okay, macht weiter und schafft sie in den Wagen, bevor die Reporter hier auftauchen.«
    Haydon schaute zu, wie man die Tote auf die Bahre legte und sie mit einem Papierlaken bedeckte, das rasch das Wasser aufsog, da, wo es am Körper oder an der Kleidung anlag. Dann schnallten sie die Leiche fest und stiegen mit der Bahre den Hang hinauf durch eine Kiefernschonung, die den See von den Häusern abgrenzte; der Ambulanzwagen parkte oben in einer Sackstraße. Haydon drehte sich wieder um und schaute hinunter zum Ufer des brackigen Wassers, dort, wo es in dickes Schilf überging. Seine Augen verengten sich gedankenabwesend; sie sahen nicht das, worauf sie
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