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Kalter Amok

Titel: Kalter Amok
Autoren: David L. Lindsay
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Vorderseite der Werften entlang zurück, ließ dabei den Suchscheinwerfer über die verrosteten, gußeisernen Fronten gleiten, dort, wo selbst die neueren Bauten alt und verfallen aussahen, den ständigen Angriffen der säurehaltigen Luft und des Salzwassers ausgesetzt. Am Ende des Lichtkegels sahen sie, wie sich in dem hoch wuchernden Gras am Fuße eines der Ladedocks etwas bewegte. Silva schaltete das Fernlicht ein und beschleunigte, während sich Walther aufrichtete. Die beiden sahen, wie ein streunender Köter aus dem Schatten trat, vor ihnen mit erhobenem Kopf, das Maul voll Eingeweide, die ihm aus den Lefzen hingen, die Straße überquerte und dann über die Böschung hinunter zum Kanal verschwand.
    »Heilige Jungfrau«, sagte Silva angewidert. »Das schöne Amerika.«
    Und dann plötzlich kam die Frau auf sie zu, von der entgegengesetzten Seite des Lagerhauses. Ihre Augen waren weit aufgerissen und rollten in den Höhlen, ihr Mund stand offen und bildete ein schwarzes Loch, dort, wo ihr Gesicht hätte sein müssen.
    »Verdammt!« schrie Silva und trat auf die Bremse. Er fühlte ein leichtes Erschüttern des rechten vorderen Kotflügels; Walther sprang aus dem Wagen, und ließ die Tür offen, während Silva den Rückwärtsgang einlegte.
    Bevor Silva aussteigen konnte, sah er, wie Walther im Schein des Lichts zurücksprang, wie seine Hand nach dem Dienstrevolver griff. Ein dunkler Riß glitzerte auf seiner linken Wange; sein Gesicht drückte Überraschung aus. Dann war die Frau auf den Beinen und stürmte mit zerzaustem Haar und wehendem Rock durch das staubige Gras auf einen Zaun zu, der sich vom letzten Lagerhaus bis zum Rand der sandigen Böschung über dem Kanal erstreckte.
    Silva drehte den Suchscheinwerfer in ihre Richtung und sprang aus dem Wagen, während Walther, der seine Geistesgegenwart wiedergewonnen hatte, das Schulterhalfter zuknöpfte und dann hinter der Frau herlief.
    Die Frau prallte mit dem Gesicht gegen den Zaun, als ob sie ihn nicht gesehen hätte. Durch den Aufprall stürzte sie zu Boden, doch gleich danach war sie wieder auf den Beinen und lief weiter. Und dann prallte sie erneut wie blind gegen den Zaun.
    »Was, zum Teufel, ist mit der los?« brüllte Silva.
    Walther war bei ihr und hielt sie fest, bevor sie sich ein zweites Mal aufrichten konnte; er hatte sichtlich Mühe, sie nach unten ins Gras und in den Sand zu drücken.
    »Fessle ihre Füße«, rief Walther Silva zu, während er selbst sich auf einen ihrer Arme kniete und Handschellen um das freie Handgelenk schnappen ließ. Blut lief ihm über die Wange und tropfte von seinem Kinn in das Haar der Frau.
    Silva knurrte, nachdem er ihre Füße gefesselt und sich wieder erhoben hatte.
    »Scheiße, Mann. Die hat dich ganz schön erwischt!« keuchte er und schaute auf Walther hinunter. »Wo ist das Messer?«
    Walther schüttelte den Kopf. »Kein Messer«, sagte er und überprüfte die Handschellen. »Sie hat mich gebissen.«
    »Gebissen?«
    »Ja, verdammt«, sagte Walther ungeduldig. Er hatte sich auf seine Knie zurückgehockt, um die sich windende Frau zu betrachten und inzwischen Luft zu schöpfen.
    »Was die wohl genommen hat! Wette zehn zu eins, es war Angeldust.«
    »Keine Ahnung«, keuchte Walther. Er nahm sein Taschentuch heraus und tupfte sich damit das Gesicht ab. Dabei fühlte er die offene Wunde. Die Frau hatte tatsächlich ein Stück aus seiner Wange herausgebissen. Walther fühlte sich benommen, außerdem war ihm übel.
    Die beiden beobachteten, wie die junge Frau zu keuchen und heftig zu zucken begann. Walther rollte sie rasch auf die Seite und strich ihr behutsam das Haar aus dem Gesicht. Schleim bedeckte seine Hände und verklebte ihr Haar, zusammen mit seinem Blut.
    Jetzt konnten sie sie erstmals richtig sehen. Eine Mexikanerin, vielleicht fünfundzwanzig Jahre alt, mit starken indianischen Gesichtszügen. Schwer zu sagen, ob sie hübsch war. Ihr Gesicht war verzerrt, während sie fast an ihrem eigenen Schleim erstickte, der ihr aus dem Mund lief. Plötzlich riß sie den Kopf nach hinten, und ihre Halsmuskeln traten hervor.
    »He, Mann!« Silva trat zurück. »Die geht hopps!« Er drehte sich um und rannte zurück zum Wagen, zum Funkgerät.
    Walther, der noch immer rittlings auf der Frau saß, beobachtete sie aufmerksam. Er versuchte, ihre Zunge zu prüfen, aber sie schnappte wieder nach ihm, und eine Stelle unter dem kleinen Finger an seinem Handrücken begann zu bluten. Er fluchte, war verwirrt. Versuchsweise legte er
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