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Kalte Spuren (German Edition)

Kalte Spuren (German Edition)

Titel: Kalte Spuren (German Edition)
Autoren: Martin Kay
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Schnee. Sie waren wesentlich kleiner als seine und schienen von normalen Winterstiefeln herzurühren.
    »Äh … Leute?«
    »Claas, komm zurück. Wir haben noch für eine Stunde Luft.«
    Claas ignorierte die Aufforderung Daves und blickte weiter über den Streifen Eis, der sich zu einem riesigen Schneefeld ausbreitete. Irgendwo da hinten, in etwa hundert Meilen Entfernung endete die Insel. Und nach weiteren hundert Meilen befände man sich auf dänischem Territorium. Grönland. Claas richtete seinen Blick auf die Spuren im Schnee. Die Fußabdrücke reichten noch etwa zwanzig Meter weit und endeten an einem Felsen.
    Das war so gut wie unmöglich. Außer den Marsastronauten gab es hier niemanden. Devon Island war wegen der extremen Temperaturen so gut wie tot. Abgesehen von ein paar Lemmingen und Moschusochsen.
    Aber die hinterlassen keine solchen Fußabdrücke, dachte Claas. Es sei denn, die kaufen ihre Moonboots jetzt von Humanic.
    Er folgte den Stapfen, darauf bedacht, neben der Spur herzugehen, um die ursprünglichen Abdrücke nicht zu zerstören. Seine Teamkollegen würden ihm sonst kein Wort glauben. Er galt ohnehin als der spinnerte Österreicher in der Gruppe.
    »Claas!« Das war diesmal Henri. »Warum hörst du nicht einmal, wenn dir jemand was sagt?«
    Leck mich, Franzmann! Er erreichte den Felsen, umrundete ihn und …
    Blieb wie angewurzelt stehen. Er würgte und wollte rasch den Blick abwenden, doch es war zu spät. Ohne weiteres Zutun erbrach er sich in den Helm. Die Absauganlage arbeitete sofort, doch in seiner Panik, in dem Erbrochenem ersticken zu müssen, öffnete Claas den Verschluss des Visiers und klappte es hoch.
    Die eisige Kälte prallte gegen sein Gesicht und zwang ihn in die Knie. Er kotzte in den Schnee. Binnen weniger Minuten würde das vereisen, was er erbrochen hatte. Seine Zunge fühlte sich taub an. Ein Stechen breitete sich in seinem Hals und den Lungen aus. Claas bekam keine Luft mehr. Er keuchte und würgte. Die Stimmen im Helmfunk nahm er nicht mehr wahr. Kopfüber fiel er in den Schnee.
    Sein Verstand meldete sich und sagte ihm, dass die Temperaturen keineswegs ausreichten, ihm zu schaden, und dass der Warmwasserkreislauf seines Raumanzugs lange genug in Betrieb sein würde, ihn zu wärmen. Dennoch funkelten Sterne vor seinen Augen. Er versuchte zu schreien, doch außer einem kaum hörbaren Krächzen kam ihm kein Ton über die Lippen.
    11:42 Uhr
     
    Mit großen Sprüngen näherten sich David Graham und Henri Damecour dem Schneefeld. Schon von Weitem sahen sie den grauen Raumanzug, der sich vom strahlenden Weiß des Terrains deutlich abhob. Dave hatte über ein Dutzend Mal Taubmann angerufen, doch die Laute, die aus dem Helmfunk drangen, verhießen nichts Gutes. Irgendetwas Schreckliches war geschehen. Wahrscheinlich war der Österreicher über die eigenen Füße gestolpert und hatte sich das Helmvisier eingeschlagen.
    Scheiße! Ausgerechnet mir muss das passieren. Gut, dass Henri und ich noch nicht zum Habitat zurückgekehrt sind.
    Das war die zehnte Marssimulation. Alle vorherigen waren glatt verlaufen. Keine Verletzten. Keine noch so kleinen Blessuren, trotz der extremen Bedingungen, unter denen sie hier einige Wochen ausharren und arbeiten mussten. Für Dave war dies bereits die zweite Mission dieser Art. Eine ähnliche hatte er bereits in der Wüste von Utah hinter sich gebracht, in der die Mars Society ebenfalls ein Habitat unterhielt.
    Aber Utah war nicht Kanada. Die Hitze und Trockenheit dort waren nicht mit den extremen Witterungsbedingungen auf Devon Island zu vergleichen.
    »Megan, Jock!«, rief er über den Funk. »Bereitet ein paar trockene Decken und eine Nifedipin-Injektion vor.«
    »Was?«, rief Joaquin Foster. »Was ist denn passiert?«
    »Claas wird sich starke Erfrierungen zugezogen haben«, sagte Dave. »Wissen wir erst, wenn wir bei ihm sind.«
    »Sollen wir rauskommen und euch helfen?«, fragte Megan.
    »Negativ. Bleibt im Habitat.« Daves Füße berührten den ersten Schnee. Weder er noch Henri sahen, dass sie zwei verschiedenen Fußspuren im Weiß folgten. Sie hatten ihre Blicke allein auf die Gestalt am Boden gerichtet, sie erreichten sie in wenigen Augenblicken.
    Henri ließ sich neben Claas auf den Boden fallen und drehte ihn herum. Dessen Lippen waren dunkelblau und mit Reif bedeckt. Stellenweise rissig. Die Augen waren geschlossen und blau angelaufen, wie der Rest seines Gesichts.
    »Merde!«, stieß Damecour aus. »Wir müssen ihn sofort
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