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Kalte Spuren (German Edition)

Kalte Spuren (German Edition)

Titel: Kalte Spuren (German Edition)
Autoren: Martin Kay
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zurückbringen.«
    »Schließ den Helm und senk die Anzugtemperatur«, sagte Dave. »Wir dürfen ihn jetzt nicht mit zu hoher … O mein Gott!«
    Er hatte den Felsen umrundet und wollte sich gerade auf der anderen Seite neben Claas in den Schnee sinken lassen, als sein Blick die Gestalt hinter dem Felsen streifte. Sofort schnürte sich ihm die Kehle zu und er spürte das Gleiche, was Claas Taubmann veranlasst haben musste, sich zu übergeben. Nur mit Mühe beherrschte sich Dave, regulierte die Sauerstoffzufuhr am Tornister und ließ kühlere Luft in den Helm einströmen. Er atmete ruhig und tief aus.
    »Was ist?«, fragte Henri.
    Dave hob abwehrend eine Hand. »Bleib dort. Ich muss mir das erst …« Er trat näher an die Gestalt heran, die hinter dem Felsen im Eis lag. Wenn sie einmal menschlich gewesen war, so war das jetzt nur noch an den Umrissen der Kleidung zu erkennen. In dem Uniformrock steckte ein Skelett, das mit knochigen Fingern ein Gewehr umklammerte. Der Kopf war zur Seite geneigt. Die leeren Höhlen starrten Dave an.
    »Was ist denn los?« Henri kam um den Felsen gelaufen, stockte und wandte sich sofort ab.
    Der Anblick eines Skeletts wäre im Normalfall nicht so schlimm gewesen. Schockierend war eher die Art und Weise, wie es zugerichtet war. Die Oberfläche der Knochen war größtenteils mit Reif bedeckt, doch nicht alle Stellen waren blank. Am Hals befanden sich Fleischfetzen. Zwischen den Zähnen schimmerte eine zerfaserte Zunge. Auf den Wangen waren noch die Reste rosafarbener Haut zu erkennen. Die dicke Winterjacke der Uniform war dunkelrot, als wäre der Soldat verblutet.
    Dave bückte sich, packte den Toten an der Schulter und rollte ihn herum. Ein Arm brach ab und hing lose in der Uniformjacke. Dave fluchte und fühlte seine Vermutung bestätigt. Der Schnee unter der Leiche war ebenfalls tiefrot.
    »Wann …« Er merkte, wie seine Stimme versagte, räusperte sich und begann noch einmal von vorn. »Wann hatten wir den letzten Schneefall?«
    Henri stieß einen französischen Fluch aus. Er mied noch immer den Anblick des Toten. »Das war, bevor wir hier ankamen. Anfang Oktober, schätze ich, warum?«
    Dave biss die Zähne zusammen. »Weil der Mann dann noch nicht mal einen Monat tot ist.«
    »Was?«
    »Er muss nach dem letzten Neuschnee hierher gekommen und gestorben sein.«
    Henri drehte sich nun doch zu der Leiche um. Ein erneuter Fluch in seiner Muttersprache kam über seine Lippen. »Aber er ist total verwest.«
    »Ja. Merkwürdig nicht? So schnell kann er nicht verwesen, gerade bei diesen Temperaturen nicht. Die Kälte hätte ihn eigentlich konservieren müssen.«
    »Fichtre!« Henri kam näher. »Er ist verblutet, so wie es aussieht. Aber die Uniform hat keine Risse. Keine Anzeichen von Schusswunden.«
    »Was immer ihn umgebracht hat … wir müssen Claas zurückbringen. Komm, wir kehren später noch einmal zurück und bringen Jock mit.«
    Sie wandten sich ab und halfen Claas auf. Eine Trage wäre nicht schlecht gewesen, doch auf der Insel gab es nur Schnee und Geröll. Dave beschloss, in seinen Bericht zu schreiben, dass zukünftige Teams in jedem Fall einen Marsrover dabeihaben sollten. Bevor sie fortgingen, markierte Dave den Ort des Leichnams mit einem Minisender. Dann machten sie sich auf den Rückweg zum Habitat.
    12:37 Uhr
     
    Megan und Joaquin standen in ihren Anzügen draußen und eilten Dave und Henri entgegen, um den beiden bei der schweren Last zu helfen.
    Die zwei waren die letzten zwei Meilen ziemlich ins Schwitzen geraten. Der Sauerstoffvorrat hatte sich schneller als erwartet verbraucht, offensichtlich durch die Anstrengung beim Tragen der zusätzlichen Last.
    »Wie geht es ihm?«, fragte Megan.
    »Er muss schnell rein«, sagte Dave. »Kühlt seine Kammer etwas ab. Trockene Tücher für die Hautpartien. Habt ihr die Injektion vorbereitet?«
    »Ja.« Joaquin half den anderen, Claas Taubmann ins Innere des Habitats zu bringen.
    Sie passierten die Schleuse, die genau so funktionierte, wie sie es auf dem Mars musste. Es passten nur jeweils zwei Leute in den engen Vorraum. Sie verfrachteten Claas ins Innere, dann gesellte sich Joaquin hinzu und verriegelte die äußere Tür. Er wartete, bis der simulierte Druckausgleich abgeschlossen war, und öffnete anschließend das innere Tor.
    Drei Minuten später befanden sich auch Dave und Henri und schließlich Megan im Innern des kuppelförmigen Habitats.
    »Sieht nicht gut aus«, sagte Megan, nachdem Dave seinen Helm abgenommen hatte.
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