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Kalte Freundschaft

Titel: Kalte Freundschaft
Autoren: Simone van Der Vlugt
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Vielleicht schmeichelt er dir nur und ist an ganz anderen Dingen interessiert als an deinem Buch. Nun guck nicht so entrüstet, ich weiß doch Bescheid: Am Theater ist das nicht anders! Überleg doch mal: Er hat noch keinen Satz von dir gelesen und interessiert sich trotzdem für dein Manuskript. Kann doch sein, dass er nur mit dir ins Bett will.«
    »Vielleicht will ich das ja auch«, meint Nadine nachdenklich. »Er sieht gut aus. Und es ist lange her, dass ich das letzte Mal Sex hatte.«
    »Du bist eben zu wählerisch. Bei deinem Aussehen könntest du an jedem Finger zehn haben!«
    Genau das ist der Unterschied zwischen uns, denkt Nadine, als sie am späten Nachmittag nach Hause fährt: Für Sigrid ist es kein Problem, einfach so Sex zu haben, aber für mich hat schon ein Kuss große Bedeutung.
     
    Am Abend liest Nadine auf der Terrasse ihr Manuskript noch einmal durch. Sie nimmt keine größeren Änderungen mehr vor, korrigiert nur hier und da
einen Tippfehler. Es reicht jetzt, findet sie, als sie merkt, dass sie kaum mehr aufnahmefähig ist, geschweige denn das Resultat richtig einschätzen kann.
    Eine Zeit lang sitzt sie einfach nur mit dem Manuskript auf dem Schoß da, dann geht sie ins Arbeitszimmer. Langsam, ja fast feierlich gibt sie Eelcos Mailadresse ein. Sie tippt zwei, drei freundliche Zeilen und hängt das Dokument an.
    Ein letztes Zögern, dann schickt sie die Arbeit ab.

    Es passt mir nicht, dass sie mit diesem Kerl zugange ist. Ihr verliebter Blick hat mich tief getroffen und sämtliche Hoffnungen zunichtegemacht.
    Äußerlich bleibe ich ruhig, doch innerlich tut mir alles weh. Mühsam errichtete Mauern stürzen ein, Sehnsüchte und Erwartungen zerplatzen, lösen sich in nichts auf.
    Als ich mich endlich wieder gefasst habe, glaube ich, kaum noch Luft zu bekommen. Ich muss so schnell wie möglich ins Freie, mich ablenken …
     
    Ich habe so gut wie keine Freunde. Zwar Kollegen und Bekannte, aber keine Freunde. Nicht dass mir etwas fehlt - ich bin mir selbst genug. Vielleicht wäre es schön gewesen, wenn ich in jungen Jahren Freunde gehabt hätte. Doch da mir das nicht vergönnt war, wusste ich auch nicht, was mir entging.
    Bis ich ihr begegnete.

    Dunkles, glänzendes Haar, haselnussbraune Augen und reine Haut. Schlank. Längst nicht alle Frauen, die gemeinhin als schön gelten, sind es auch wirklich. Oft ist ihr Lächeln künstlich, ihre Gesten wirken einstudiert, und ihren perfekt geschminkten Augen fehlt etwas, das sich mit keinem Make-up der Welt herbeizaubern lässt.
    Nadine ist anders. Ihre Schönheit und ihr offenes, freundliches Wesen machen sie unwiderstehlich. Schon als ich sie zum ersten Mal sah, wusste ich, dass ich ihr verfallen würde.
    Sie ahnt nicht, dass ich sie verfolge, ihr nachspioniere. Ich kann nicht anders. Die Vorstellung, dass ich nicht an ihrem gesamten Leben teilhabe, ist mir unerträglich. Ich verspüre den Drang, sie ständig im Auge zu behalten, damit ich genau weiß, was sie macht und mit wem sie zusammen ist.
    Manchmal werde ich wütend, wenn ich sie mit anderen reden oder lachen sehe. Aber letztendlich überwiegen doch immer meine zärtlichen Gefühle.
    Für mich gibt es nur sie, so als hätte sich mein ganzes Leben immer schon um sie gedreht. So als hätte ich schon immer gewusst, dass sie eines Tages kommen würde, um meine Einsamkeit zu lindern und wieder gutzumachen, was andere mir angetan haben.
    Tief in ihrem Innersten liebt sie mich bestimmt genauso, da bin ich mir sicher. Aber wird sie auch dazu stehen?
    Wenn man ein Geheimnis preisgibt, läuft man Gefahr, sich ein Stück weit zu verlieren. Anschließend
gibt es kein Zurück mehr. Die Fassade bröckelt immer mehr, bis alles bloß liegt, was vorher sorgfältig verborgen war.
    Inzwischen habe ich das Schweigen so sehr verinnerlicht, dass ich hin und wieder vergesse, was ich mit mir herumtrage. Doch unter der Oberfläche ist es ständig da, wie ein Geschwür, das mal wächst und mal schrumpft. Meist schlummert es, aber es ist unberechenbar und kann jeden Moment aufplatzen.
     
    Als ich das »Oloroso« betrete, meine ich im ersten Moment, sie zu sehen. Wie vorbestimmt sitzt sie an der Theke vor einem Bier. Das lange Haar fällt ihr über den Rücken, die Beine sind übereinandergeschlagen. Kurzer Lederrock, Strumpfhose und schwarze Lackstiefel.
    Kurz bleibt mir die Luft weg. Dann bemerke ich die Unterschiede, aber das spielt keine Rolle. Mein Herz hämmert wie verrückt, und ich muss mich neben sie setzen - ob
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