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Kalte Freundschaft

Titel: Kalte Freundschaft
Autoren: Simone van Der Vlugt
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noch dazu zum Opfer der besten Freundin, so etwas fasziniert die Leute. Neulich habe ich gelesen, sie verarbeite ihre Erlebnisse in einem neuen Buch. Noch bevor sie auch nur einen Buchstaben auf dem Papier hatte, standen die Verlage Schlange und boten ihr astronomische Vorschüsse.
    »Aurora hat mir die erste Chance zur Veröffentlichung gegeben. Es wäre höchst undankbar, wenn ich jetzt den Verlag wechseln würde«, wurde Nadine in dem Artikel zitiert.

    Das macht mich stolz. So ist Nadine - treu wie Gold.
    Deshalb verstehe ich auch nicht, weshalb sie mich nicht besucht. Ich habe ihr noch so viel zu sagen, aber auch auf meine Briefe kommt keine Antwort. Obwohl ich mehrmals betont habe, wie froh ich bin, dass es ihr und Marielle gut geht. Dass ich in geistiger Verwirrung gehandelt habe, als ich sie niederstach, und hinterher ungeheuer erleichtert war, dass ich sie nicht umgebracht hatte.
    Hätte Arnout nicht plötzlich mit einem Stein die Hintertür eingeworfen, dann hätte ich immer wieder zugestochen und mir anschließend zu Hause eine Kugel in den Kopf gejagt.
    Er kümmerte sich sofort um Nadine, daher konnte ich entkommen. Aber schon auf dem Weg zu meiner Wohnung wurde ich festgenommen.
    Trotz allem bin ich Arnout dankbar. Weil er Nadine Erste Hilfe leistete, hat sie überlebt. Wäre sie gestorben, hätten sie mich meinetwegen zum Tode verurteilen können. So aber kann ich weiterhin hoffen, dass wir eines Tages wieder Kontakt haben und sie mir verzeiht.
     
    Laut Dr. Posthumus habe ich eine Persönlichkeitsstörung namens Borderlinesyndrom. Er sagt, ich leide unter ständiger Verlassensangst, reagiere überempfindlich auf das kleinste Zeichen von Ablehnung und klammere mich zu sehr und vor allem zu früh an Bezugspersonen. Mein Selbstbild wie auch meine
Beziehungen zu anderen seien instabil, ich sei starken Stimmungsschwankungen unterworfen und könne meine Impulse schlecht beherrschen.
    Das alles hat man bereits in der psychiatrischen Klinik festgestellt, wo ich nach meiner Verhaftung untersucht wurde, denn vor der Gerichtsverhandlung musste meine Zurechnungsfähigkeit überprüft werden.
    An die Zeit vor und nach der Verhandlung erinnere ich mich nur schemenhaft. Die endlosen intensiven Gespräche, bei denen ich gezwungen war, meine Gefühle zu offenbaren und den alten Schmerz noch einmal zu durchleben, führten dazu, dass ich psychisch zusammenbrach.
    Ich habe alles gestanden. Nachdem Nadine die Wahrheit kannte, war es mir nicht mehr wichtig, sie vor anderen zu verbergen.
    Ich sagte aus, dass ich mir für den Bücherball absichtlich ein rotes Abendkleid gekauft hatte und in die Herrentoilette ging, nachdem Nadine herausgekommen war. Ein gezielter Stich in den Rücken, und Eelco sackte zusammen.
    Anschließend habe ich ihn in eine Toilettenkabine geschleppt, was den Vorteil hatte, dass ich in Ruhe verschwinden konnte, bevor man seine Leiche entdeckte.
    Im Auto habe ich mich umgezogen und das blutverschmierte Kleid an einer Tankstelle in den Müll geworfen. In einer Plastiktüte, damit es nicht auffiel.
    Die Schuhe hatte ich anbehalten und erst zu Hause
gemerkt, dass sie voller Blutspritzer waren. Der Müll wäre am übernächsten Tag abgeholt worden. Damit, dass Nadine vorher in der Tonne schnüffeln würde, hatte ich nicht gerechnet.
    Das war unbedacht, aber nachdem es mir nicht gelungen war, Marielle auszuschalten, spielte es keine große Rolle mehr. Die Schuhe waren lediglich der letzte Beweis für ein Verbrechen, das mir ohnehin irgendwann nachgewiesen worden wäre.
     
    Zwanzig Jahre Sicherungsverwahrung, das hört sich schlimmer an, als es ist. Es läuft darauf hinaus, dass ich in dreizehn, vierzehn Jahren wieder auf freiem Fuß bin. Die Aussicht, Nadine dann wieder zu begegnen, lässt mich die Zeit hinter Gittern ertragen. Auch wenn sie jeden Kontakt ablehnt, ist sie nach wie vor Teil meines Lebens. Ich begegne ihr oft - im Fernsehen oder auf Fotos in Zeitungen. Angeblich ist sie jetzt mit Arnout zusammen.
    Auf den Bildern wirkt sie glücklich, aber ich weiß, das ist nur Schein. Wenn ich sie in Talkshows sehe, weiß ich, dass ihr Lächeln mir gilt, dass jedes ihrer Worte an mich gerichtet ist.
    Das tröstet mich, wenn ich mich einsam fühle. Wie gesagt: Ich wollte ihr nicht wehtun. Ich wollte nur, dass sie mich genauso braucht wie ich sie.
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