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Kalte Freundschaft

Titel: Kalte Freundschaft
Autoren: Simone van Der Vlugt
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und kramt in ihrer Tasche.
    Nadine überlegt fieberhaft, wie sie sich am besten verhalten soll. Dabei fällt ihr Blick auf den Messerblock.
    Er ist leer.
    Sie starrt darauf, als wären die Messer wie durch einen Zaubertrick verschwunden. Sekundenlang glaubt sie, ihre überreizte Fantasie gaukle ihr etwas vor. Sie blinzelt heftig, aber es war keine Täuschung.
Mit einem Schlag wird ihr klar, was das bedeutet.
    »Nadine, soll ich dir helfen?«, ruft Sigrid aus dem Wohnzimmer.
    »Nein danke. Ich komme schon. Nur noch ein paar Kekse …« Mit zitternden Händen öffnet sie den Vorratsschrank. Wie konnte sie nur glauben, der Situation gewachsen zu sein? Schon beim Anblick Sigrids hätte sie davonlaufen müssen.
    Ihr Blick geht zur Hintertür. Sie ist verschlossen, aber der Schlüssel liegt in der Schublade. Wenn es klappt, ist sie im Nu weg.
    Sie zieht die Schublade auf, nimmt den Schlüssel und geht auf Zehenspitzen zur Tür.
    Plötzlich spürt sie Sigrid hinter sich. Mit einem Ruck dreht sie sich um.
    »Du weißt alles.« Sigrids Stimme klingt sanft. Sie lehnt am Türrahmen, eine Hand in der Hosentasche. In der anderen hält sie ein Fleischmesser.
    »Was meinst du? Was weiß ich?«
    »Mach mir nichts vor, Nadine!« Mit dem Messer tippt Sigrid sich ans Bein. »Du hast sie doch gefunden.«
    »Was gefunden?« Nadine gibt sich ahnungslos, aber es hat keinen Sinn: Sigrid durchschaut sie.
    »Meine Schuhe. Ich habe dich beobachtet und ins Haus gehen sehen. Da beschloss ich, hier auf dich zu warten. Damit wir reden können.«
    »Reden … ja, das müssen wir wohl.« Nadines zaghaftes Lächeln gerät zu einer Grimasse.

    Sie muss an den Schlüssel herankommen, ihn umdrehen! Das Ganze ist eine Frage von Sekunden, aber mehr als ein paar Sekunden braucht auch Sigrid nicht, um sie zu erreichen.

49
    Es ist, als verliefe eine unsichtbare Wand zwischen ihnen. Nur wenige Schritte trennen sie, ein winziger Abstand zwischen Leben und Tod.
    Nadine kann immer noch nicht glauben, dass Sigrid imstande wäre, ihr etwas anzutun. »Was … was willst du mit dem Messer?« Ihre Stimme zittert.
    Sigrid hebt die Hand und betrachtet das Messer mit einem Gesichtsausdruck, als sähe sie es zum ersten Mal.
    »Ich weiß nicht«, sagt sie nach einem kurzen Schweigen. »Brauche ich es denn?«
    Stumm schüttelt Nadine den Kopf.
    »Ich war mir nicht sicher, wie du reagieren würdest, deshalb habe ich es genommen. Wir sind Freundinnen und kennen uns gut, aber letztlich weiß man nie, was wirklich im Kopf der anderen vorgeht.« Sigrid wiegt das Messer in der Hand.
    »Kann sein, dass ich durchdrehe«, fährt sie leise fort. »Ich war in psychiatrischer Behandlung, wusstest du das?«
    Es dauert einen Moment, bis Nadine ihre Stimme unter Kontrolle hat. »Nein«, sagt sie.

    »Das war, kurz bevor ich dich kennenlernte, und ist also lange her. Wir kennen uns ja schon eine ganze Weile.«
    »Sechs Jahre.«
    »Stimmt, demnächst sind es sechs Jahre. Ich wollte unseren Jahrestag feiern, schön ausgehen oder gemeinsam in Urlaub fahren. Nach Paris oder Rom, nur wir beide, ganz romantisch.«
    Nadine denkt an die unzähligen Fotos von sich in Sigrids Schlafzimmer. Jetzt weiß sie, weshalb sie dort liegen.
    Sigrid kommt näher, sieht ihr fest in die Augen.
    »Du fühlst das Gleiche wie ich«, sagt sie heiser. »Zwischen uns hat es nie vieler Worte bedurft, und die Männer in unserem Leben waren bloß Randerscheinungen. Am Ende zählen nur wir beide, Nadine, du und ich.«
    Ihr Ton hat etwas Beschwörendes, sodass Nadine keinen Widerspruch wagt.
    »Ja«, flüstert sie. »So habe ich es auch immer empfunden.«
    Sigrid tritt noch einen Schritt näher.
    »Ich wusste es«, flüstert sie. »Remco, Eelco und wie sie alle hießen - ich musste sie von dir fernhalten, weil sie deinen wahren Gefühlen im Weg standen.«
    Am liebsten würde Nadine schreiend auf Sigrid einschlagen, aber sie ist wie gelähmt. In ihr ist nichts als Leere und ein tiefes Entsetzen.
    »Ich liebe dich.« Sigrid sieht sie mit einer seltsamen Mischung aus Zärtlichkeit und Besitzgier an.

    Ich darf sie nicht abweisen, denkt Nadine. Trotzdem … »Und Marielle …?«, flüstert sie.
    Ein schmerzlicher Ausdruck huscht über Sigrids Gesicht. »Ich musste es tun, sonst hätte sie mich verraten.«
    »Verraten?«
    »Sie wusste das mit Melissa und Joella.«
    Nadine bekommt kaum noch Luft, sie kann Sigrid nur noch entgeistert anstarren.
    Ihr Gesicht ist jetzt direkt vor ihr, im nächsten Moment spürt sie warme Lippen
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