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Kalte Fluten

Kalte Fluten

Titel: Kalte Fluten
Autoren: Ralph Westerhoff
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gewesen. Er hatte Abitur gemacht und sogar angefangen zu studieren. BWL wollte er machen. Manager werden. Anzüge tragen, große BMWs fahren und die Geschicke multinationaler Konzerne lenken. Das war sein Ziel gewesen.
    Um sein Studium zu finanzieren, hatte er einen kleinen, aber lukrativen Handel aufgezogen. Dieses Geschäft florierte mit den Jahren immer mehr, sodass er BWL eine schöne Wissenschaft und die Welt der Großkonzerne eine Utopie sein ließ. Sein Geschäft ernährte ihn redlich.
    Doch nun war einer seiner Spediteure unvorsichtig gewesen. Die letzte Lieferung war unwiederbringlich verloren. Eine Versicherung gab es nicht. Er rief seinen Lieferanten an.
    »Guten Abend«, sagte er. »Die letzte Lieferung ist untergegangen.«
    »Das ist Ihr Problem«, erwiderte der Mann mit holländischem Akzent.
    »Ich weiß«, knurrte Hansen. Wie bei internationalen Geschäften üblich, ging auch bei Fritjof Hansens Handelsware das Risiko mit der Übergabe der Sache an den von ihm beauftragten Spediteur auf ihn über.
    Sein Spediteur war weiblich, zweiundzwanzig Jahre alt, Studentin der Germanistik und im ICE von Amsterdam nach Dortmund von den Beamten des Grenzschutzes gestellt worden. Sie hatten das Heroin gefunden, das sie transportierte. Sie wurde verhaftet, die Ware beschlagnahmt. Die fünfzigtausend Euro Einstandspreis waren verloren. Vom entgangenen Gewinn in Höhe von fast vierhunderttausend Euro ganz zu schweigen. Die Polizei konnte die Spur zwar nicht bis zu ihm verfolgen. Aber die Einschläge kamen näher.
    »Sie sollten Ihre Logistik überprüfen«, empfahl der Holländer.
    Er hat recht, dachte Hansen. Sein System war bisher im Grunde perfekt gewesen. Bisher. Er kümmerte sich um den Vertrieb der Ware hier vor Ort. Seine Spezialität war das aggressive Marketing bei jungen Menschen. In Schulen, Kneipen und Diskotheken mit jungem Publikum ließ er Gratisproben verteilen, bis die Neukunden kaufen mussten. Aber Hansen trat schon lange nicht mehr an vorderster Front auf. Die Organisation des Vertriebsnetzes oblag Christof, einem ehemaligen Kommilitonen, der im Gegensatz zu Hansen selbst an der Nadel hing und deshalb ein willfähriger Mitarbeiter war. Seine Drückerkolonne bestand aus ebenfalls Abhängigen.
    Dieses System war Hansens Lebensversicherung. Er gab Christof den Stoff. Der verteilte ihn an die Drücker, die ihn schließlich an die Endkunden auslieferten. Ein Verrat war so gut wie ausgeschlossen. Ein Junkie verkauft eher seine Großmutter, als die Quelle für seine Sucht zu gefährden. Wenn jemand verraten werden würde, dann Christof. Dieser würde aber nie ihn bezichtigen.
    Hansen selbst wickelte nur noch den Einkauf in Amsterdam persönlich ab, wo er als Tarnung eine Bar betrieb. Das war wichtig, damit er für den Fall der Fälle eine plausible Erklärung hatte, warum er häufig in die Grachtenstadt fuhr.
    Dort traf er sich mit Sven, dem Holländer, und prüfte die Güte der Ware. Er bezahlte und packte die in kleinen Plastikbeuteln befindlichen Drogen in den doppelten Boden einer Reisetasche, die dann von einem ahnungslosen Studenten in ein Bahnhofsschließfach gebracht wurde. Hansen selbst verließ Amsterdam sofort danach und sorgte dafür, dass genügend Zeugen in Rostock bestätigen konnten, wie sich der Chef höchstpersönlich darum kümmerte, dass auch seine diversen Diskotheken, Bars und Amüsierbetriebe hier vor Ort liefen.
    Ein Mitarbeiter seiner Amsterdamer Niederlassung schickte ihm den Schließfachschlüssel. Christof beauftragte einen »Spediteur«, die Tasche zu holen und sie in einem Schließfach an immer wechselnden Zielbahnhöfen zu deponieren. Nur mit diesem Schlüssel kam der Bote wieder in Rostock an. Christof sorgte dann dafür, dass die Ware abgeholt und endgültig nach Rostock gebracht wurde. Hansen hatte immer ein Alibi. Auf dieses System war er stolz. Sollte etwas schiefgehen, wäre er nie dabei gewesen.
    Jetzt musste er eine Alternative zum Transport mit Boten finden, denn die heutige Verhaftung war schließlich Warnung genug. Er durfte sein Glück nicht strapazieren. Während er telefonierte, hatte er auf einmal den rettenden Gedanken.
    »Mir ist da gerade was eingefallen«, sagte er zu dem Holländer. Es war eine perfide Idee, in deren Mittelpunkt Lydia stand. »Wir müssen über die Verpackung Ihrer Ware reden.«
    »Okay, wann?«
    »Nächste Woche. Ich melde mich.«
    »Einverstanden.«
    Deutlich besser gelaunt legte Fritjof auf und ging zurück ins Wohnzimmer. In der Hand
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