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Kalte Berechnung - Eine Rachegeschichte

Kalte Berechnung - Eine Rachegeschichte

Titel: Kalte Berechnung - Eine Rachegeschichte
Autoren: Stefanie Maucher
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ich Deiner Meinung nach verdiene. Du bestehst nur noch aus Hass – und der verstellt Dir vollkommen den Blick.
    Deine Hände kommen zuerst oben an. Du bist so bereit, mich endlich zu packen, dass Du das Messer übersiehst, das ich inzwischen aus dem Schaft meines Stiefels gezogen habe. Du bist auf einem weiteren Tritt vorbereitet, doch darauf, dass ich in die Hocke gehe und Dir etwas in die Hand ramme, reagierst Du nicht schnell genug. Kaltes Metall, das Deine Handfläche durchbohrt und sich in den Fugen des erklommenen Riesen unter Dir verkantet, hält Dich nun fest und vereint Dich mit dem Koloss.
    Ein Schock könnte Dich retten. Wenn Du den Schmerz nicht spüren würdest. Doch Du ziehst nicht einfach das Messer aus Deiner Hand, als wäre es ein Splitter. Du heulst auf und erstarrst. Nun darf ich nicht zögern; wenn ich die Oberhand behalten will, dann muss ich handeln. Schnell! Also schwinge ich, ohne Gnade für einen bereits am Boden befindlichen Gegner, erneut mein Bein, lasse meinen Stiefel gegen Deine Schläfe krachen und schicke Dich mit einem wuchtigen Tritt ins Land der Träume. Du sackst mit einem Grunzen in Dich zusammen. Das gibt mir genug Zeit, den kleinen Schlüssel von meinem Hundehalsband zu reißen. Er war nie nur ein Symbol, kein dekorativer Schlüssel zu meinem Herzen, sondern schon immer der Schlüssel für die Handschellen, die ich heute als Armschmuck trage. Eilig löse ich den Schmuck von meinem Handgelenk und gebe ihm seine eigentliche Funktion zurück: Ich umschließe Dein Handgelenk mit der einen Fessel, die andere lege ich um eines der Gittersegmente der Stahltreppe und kette Dich daran fest. Ich greife nach Deinem anderen Arm, ziehe mit aller Kraft an ihm und drehe Dich auf den Rücken. Erst als ich auch dieses Handgelenk an den Stahlriesen gefesselt habe und Du mit weit ausgebreiteten, fixierten Armen vor mir liegst, richte ich mich auf.
    Zeitgleich endet die Musik. In dem kurz eintretenden Moment der Stille, mit dem euphorisierenden Gefühl, dem Tod knapp entronnen zu sein, schöpfe ich erleichtert Luft. Zum ersten Mal nehme ich den atemberaubenden Ausblick wahr, den wir von hier oben haben: Die angestrahlten Stahlungeheuer ragen leuchtend in den sternklaren Himmel, Scheinwerferlicht gleitet über die wogenden Köpfe der Zuschauer hinweg, beleuchtet einen Ozean aus Ahnungslosen, von denen keiner den Blick hebt, um zu sehen, was über ihren Köpfen passiert. Ein irritierender Gedanke, der mein Gefühl, auf mich allein gestellt zu sein, bestätigt und noch verstärkt. Klein wie der Mast eines Segelboots am Horizont wirkt die Gestalt des Sängers auf der weit entfernten Bühne. Sein Gesicht aber sehe ich überlebensgroß durch die Leinwand am Gemini schimmern. Und fast könnte man glauben, er würde auch uns sehen, denn seine sehnsuchtsvolle, klagende Stimme scheint seinen Zuhörern von Deiner misslichen Lage zu erzählen, als er das nächste Lied anstimmt, welches von einem devoten, unterwürfigen Mann handelt, der vor seiner Göttin im Staub liegt.
    Diesmal sehe ich auf Dich herab. Hilflos liegst Du da, bewusstlos und gefesselt. Dein Brustkorb hebt und senkt sich. Eindeutig atmest Du noch. Ich stelle ungerührt, kalt und sachlich fest: Jedes Mal, wenn Du ausatmest, bläht sich eine Blase aus Blut unter deinem linken Nasenloch auf. Nun gehörst Du mir und wir sind endlich allein. Du, ich … und meine Klinge.
    Ich gehe in die Hocke, greife das Messer, welches noch immer in Deiner Handfläche steckt und ziehe daran. Es bewegt sich keinen Millimeter, scheint unlösbar verankert. Beherzt und wenig zimperlich packe ich den Griff nun mit beiden Händen und rüttle fest daran, bis es sich löst. Die Klinge hinterlässt eine klaffende, blutende Wunde. Ein Stigma, das Dich bis ans Ende Deiner Tage zeichnen wird. Der damit einhergehende Schmerz bringt Dir das Bewusstsein zurück, wie mir Dein gequältes Stöhnen und Deine flatternden Augenlider verraten. Was ist schlimmer? Der Schmerz in Deinem Kopf, der in Deinen Eiern oder der in Deiner Handfläche?
    Erstaunt darüber, wie gut es sich anfühlt, mir Deinen Schmerz vorzustellen, wie sehr ich genieße, Dich blutend vor mir liegen zu sehen, beobachte ich, wie Du zu Dir kommst. Es dauert einen Moment, bis Du Deine Lage voll überrissen hast. Du versuchst, Dich zu bewegen, merkst, dass Dir wenig Spielraum bleibt. Vergeblich rüttelst Du an Deinen Fesseln und zappelst mit den Beinen, als wärst Du ein verzweifelter Käfer, den ein kleines,
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