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Kalt

Kalt

Titel: Kalt
Autoren: Dean R. Koontz
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abzuspülen und der Pflanze ihren schönen grünen Glanz zu bewahren.
    Während sie an diesem Freitagabend von Albuquerque, New Mexico, nach Phoenix, Arizona, unterwegs war, wo sie in der folgenden Woche ein dreitägiges Engagement hatte, saß sie die ganze Zeit allein am Steuer, weil Fred weder einen Führerschein besaß noch die nötigen Gliedmaßen, um ein Kraftfahrzeug zu bedienen. Fred war der Geldbaum.
    Jillys mitternachtsblauer Cadillac Coupe DeVille, Baujahr 1956, war die Liebe ihres Lebens, was Fred verstand und gnädig akzeptierte, aber ihre kleine Crassula argentea (Freds Geburtsname) belegte einen guten zweiten Platz auf ihrer Zuneigungsskala. Sie hatte Fred erworben, als er noch ein Spross mit vier Stummelzweigen und sechzehn dicken, gummiartigen Blättern gewesen war. Obwohl er in einem schäbigen breiten Plastiktopf mit acht Zentimetern Durchmesser gesteckt hatte, war er ihr nicht winzig und verlassen vorgekommen, sondern vom ersten Augenblick an tapfer und entschlossen. Dank ihrer liebevollen Zuwendung war er zu einem wunderschönen Exemplar herangewachsen, etwa dreißig Zentimeter hoch und knapp fünfzig Zentimeter im Durchmesser. Inzwischen wuchs und gedieh er in einem breiten, glasierten Terrakottatopf und wog samt Erde und Behälter volle elf Pfund.
    Jilly hatte ein festes Schaumstoffpolster gebastelt, eine modifizierte Version des ringförmigen Sitzes, den man Patiente n n ach einer Hämorrhoidenoperation überreichte. Es hielt den Boden des Topfs davon ab, das Polster des Beifahrersitzes zu beschmutzen, und sorgte dafür, dass Fred während der Fahrt nicht umfiel. Das Coupé war 1956 noch nicht mit Sicherheitsgurten ausgestattet gewesen, und auch Jilly hatte bei ihrer Geburt im Jahre 1977 keine getragen, aber sie hatte für sich und Fred einfache Hüftgurte montieren lassen. Im Schoße seines maßgearbeiteten Polsters geborgen und mit dem Gurt um seinen Topf war Fred so sicher, wie ein Geldbaum es sich überhaupt erhoffen konnte, wenn er mit über achtzig Meilen durch die Einöde von New Mexico raste.
    Da Fred unterhalb der Fenster stand, konnte er die Wüstenlandschaft nicht genießen, aber Jilly brachte sie ihm von Zeit zu Zeit, wenn sich ein hinreißender Blick ergab, mit anschaulichen Schilderungen nahe.
    Sie genoss es, ihre Darstellungskraft zur Schau zu stellen. Wenn sie es nicht schaffte, ihre derzeitigen Engagements in schäbigen Cocktailbars und zweitrangigen Kabaretts zu einer Karriere als Comedystar auszubauen, hatte sie einen zweiten Plan in der Hinterhand: Sie wollte Bestsellerautorin werden.
    Selbst in gefährlichen Zeiten wagen die meisten Menschen es, zu hoffen, Jillian Jackson jedoch pochte regelrecht auf ihre Hoffnung und nährte sich davon ebenso sehr wie von Speis und Trank. Vor drei Jahren, als sie vor ihrem ersten bezahlten Auftritt noch Kellnerin gewesen war, sich mit drei anderen jungen Frauen eine Wohnung geteilt hatte, um Geld zu sparen, und sich auf die zwei Mahlzeiten täglich beschränkt hatte, die sie an ihrem Arbeitsplatz kostenlos bekam, war ihr Blut ebenso reich an Hoffnung gewesen wie an roten und weißen Blutkörperchen. Manch einer hätte sich angesichts derart großer Träume entmutigen lassen, Jilly hingegen glaubte, mit Hoffnung und Tatendrang alles erringen zu können, was sie wollte.
    Alles mit Ausnahme des richtigen Mannes.
    Während sie nun durch den dahinschwindenden Nachmittag von Los Lunas über Socorro nach Las Cruces fuhr und lange am US-Kontrollpunkt östlich von Akela warten musste, wo die Kontrollen neuerdings mit größerer Ernsthaftigkeit durchgeführt wurden als in unschuldigeren Tagen, dachte Jilly über die Männer in ihrem Leben nach. Es waren zwar nur drei, mit denen sie eine Liebesbeziehung gehabt hatte, aber diese drei waren drei zu viel gewesen. Auf dem Weg nach Lordsburg im Norden der Pyramid Mountains, nach Road Forks, New Mexico, und schließlich zur Grenze von Arizona brütete sie über die Vergangenheit nach und versuchte zu begreifen, was sie in den gescheiterten Beziehungen jeweils falsch gemacht hatte.
    Obwohl sie bereit war, die Schuld für den Misserfolg jeder einzelnen Romanze auf sich zu nehmen, und obwohl sie ihr damaliges Verhalten so kritisch betrachtete wie ein Bombenräumkommando, das entscheiden musste, welcher von mehreren Drähten durchtrennt werden sollte, um die Lage zu retten, kam sie am Ende nicht zum ersten Mal zu dem Schluss, dass der Fehler weniger bei ihr lag als bei den nutzlosen Kerlen, denen sie vertraut
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