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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
Autoren: Unbekannter Autor
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getan werden sollen: den Mord an Unschuldigen zu verhindern.
    Und ich sah ihn, Salvatore, Francesco de' Pazzis Sohn, der sich durch den Ansturm flüchtender Gottesdienstbesucher kämpfte, das Schwert an seiner Seite haltend. Er bewegte sich auf Giuliano zu.
    Doch Giuliano sah ihn nicht. Giuliano sah nur mich. Seine Augen waren Lichter an einem fernen Ufer; sein Gesicht ein Leuchtfeuer. Mit den Lippen formte er meinen Namen.
    Ich wollte nichts sehnlicher, als zu ihm eilen, konnte aber nicht den Fehler wiederholen, den Anna Lucrezia, Leonardo und Giuliano der Ältere begangen hatten. Ich durfte meiner Leidenschaft nicht nachgeben. Mühsam wandte ich den Blick von Giulianos Gesicht ab und heftete ihn auf Salvatore. Es war unmöglich, vorwärtszukommen, dennoch stolperte ich hinter ihm her. Trotz des Sogs der Flüchtenden blieb ich auf den Beinen. Gott ließ ein Wunder geschehen: Ich stürzte nicht. Ich wurde weder ohnmächtig, noch starb ich. Fast rannte ich.
    Als ich mich den beiden Männern näherte, verblasste Giulianos Strahlen zu Besorgnis, dann zu Unruhe. Jetzt sah er das Blut, das aus meinem Hals drang und mein Mieder durchweichte. Salvatore, der von der Seite anrückte, bemerkte er nicht; er hatte nur Augen für mich, die hinter jenem war. Er bemerkte ihn auch dann noch nicht, als Salvatore nur eine Armlänge von ihm entfernt war, als er sein Schwert hob, bereit, zuzuschlagen und Lorenzos Lieblingssohn umzubringen.
    Ich aber sah es. Hätte ich die Kraft besessen, hätte ich mich zwischen die beiden Männer geworfen. Ich hätte den
    Schlag hingenommen, der meinem Geliebten galt. Doch ich war nicht rechtzeitig bei ihm; ich konnte nicht zwischen die beiden Männer treten. Ich konnte nur einen Satz nach vorn machen und unter Aufwendung der Luft, die noch in meiner Lunge war, von hinten zu Salvatore aufschließen.
    In dem Augenblick, als Salvatore sein Schwert hob, kurz bevor er es auf Giuliano niederfahren lassen konnte, streckte ich meinen Arm länger aus, als eigentlich möglich war. Mit dem Stilett fand ich die weiche Stelle unter Salvatores Rippen und versenkte es dort.
    Mir fiel das Gemälde von Bernardo Baroncelli an der Wand des Bargello ein. Ich erinnerte mich an das Bild, das ihn am Seil hängend zeigte, das tote Antlitz gesenkt, noch immer von Reue gezeichnet. Und ich flüsterte:
    »Da, Verräter.«
    Erleichtert stieß ich einen Seufzer aus. Giuliano lebte, stand in Sonnentupfern am Ufer des Arno und wartete mit ausgebreiteten Armen. Ich sank hinein und versank in den Fluten, dorthin, wo das Wasser am tiefsten und schwärzesten ist.
EPILOG: USA JULI 1498
71
    Ich starb nicht, ebenso wenig wie Francesco. Der Stich, den ich Salvatore de' Pazzi zufügte, ließ ihn zu Boden gehen, und als er dort blutend lag, wurde er von einem anderen getötet.
    Seine Söldner, die beim Läuten der Glocken auf die Piazza della Signoria ritten, wurden von einer gewaltigen Gegnerschaft empfangen. Als sie auf Pieros Männer trafen
    - als sie erfuhren, dass Salvatore nicht kommen würde, um die Menge gegen die Medici aufzuwiegeln, um den Sturm des Palazzo und den Sturz der Signoria anzuführen -, lösten sich ihre Reihen auf, und die Söldner flohen.
    Messer Iacopo wurde nie gerächt.
    Es sei noch nicht an der Zeit für die Medici, erklärte mein Gemahl, in Florenz wieder an die Macht zu kommen; in der Signoria gebe es nur unzureichend Unterstützung. Piero hatte inzwischen Geduld gelernt. Doch die Zeit werde kommen. Die Zeit wird kommen.
    Zu meiner Belustigung habe ich erfahren, dass Francesco jedem in Florenz erzählt hat, ich sei noch seine Gemahlin, ich sei nur mit meinem Kind aufs Land gezogen, weil mir die Angst, der ich im Duomo ausgesetzt war, nervlich zugesetzt habe. Er nutzte seinen Verstand und seine Verbindungen, um dem Strang zu entkommen, aber er fiel in Ungnade. Er wird nie wieder einen Sitz in der Regierung innehaben.
    Endlich bin ich in Rom bei Giuliano und Matteo. Hier ist es wärmer, es gibt weniger Wolken und Regen. Dunst und Nebel sind nicht so geläufig wie in Florenz; die Sonne offenbart alles in scharfem, klarem Relief.
    Leonardo besucht uns gerade, nachdem ich wieder ein wenig zu Kräften gekommen bin. Ich sitze erneut Modell für ihn - trotz des Verbands um meinen Hals -, und ich glaube allmählich, dass er mit dem Gemälde nie zufrieden sein wird. Er verändert es ständig und behauptet, mein Wiedersehen mit Giuliano spiegele sich in meinem Ausdruck. Er verspricht, er werde nicht immer in Mailand
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