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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
Autoren: Unbekannter Autor
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gewusst, was folgen sollte, hätte ich nicht so sehr darauf bestanden.
    Da es für meine Mutter nicht sicher war, sich aus dem Haus zu wagen, suchten wir den Astrologen nicht bei sich auf, sondern bestellten ihn stattdessen in den Palazzo.
    Von einem Fenster im Flur neben meinem Schlafzimmer sah ich zu, wie die vergoldete Kutsche des Astrologen mit seinem Familienwappen auf der Tür im Hof hinter unserem Haus eintraf. Zwei elegant gekleidete Diener halfen ihm beim Aussteigen. Er trug ein farsetto, die eng anliegende Männerkleidung, die manche anstelle einer Tunika trugen. Es war aus gestepptem violettem Samt unter einem ärmellosen Brokatumhang in dunklerem Lila. Der Astrologe war dünn und hatte eine eingefallene Brust, seine Haltung und seine Bewegungen waren gebieterisch.
    Zalumma, die Sklavin meiner Mutter, trat vor, um ihn in Empfang zu nehmen. An jenem Tag war Zalumma eine gut gekleidete Kammerzofe. Sie war meiner Mutter treu ergeben, deren Freundlichkeit allein schon Loyalität erweckte und die ihre Sklavin wie eine liebe Gefährtin behandelte. Zalumma war eine Tscherkessin aus den hohen Bergen im sagenumwobenen Osten; ihr Volk wurde wegen seiner Schönheit gepriesen, und Zalumma - groß wie ein Mann, mit schwarzen Haaren und Augenbrauen und einem Gesicht weißer als Marmor - bildete da keine Ausnahme. Ihre dichten Ringellocken waren nicht mit einem heißen Schürhaken geformt, sondern von Gott gegeben, und jede Florentinerin beneidete sie darum. Zuweilen murmelte sie in ihrer Muttersprache vor sich hin, die keiner anderen Sprache glich, die mir je zu Ohren gekommen war; sie nannte sie »Adyghabza«.
    Zalumma machte einen Knicks und führte den Mann ins Haus. Meine Mutter war an jenem Morgen nervös gewesen, zweifellos weil der Astrologe den besten Ruf in der Stadt genoss und sogar von Seiner Heiligkeit konsultiert wurde, wenn der Wahrsager des Papstes krank war. Ich sollte mich nicht blicken lassen; die erste Begegnung war rein geschäftlicher Natur, bei der ich nur stören würde.
    Ich verließ mein Zimmer und schlich auf leisen Sohlen an die Treppe, um zu sehen, ob ich nicht von den Vorgängen zwei Stockwerke unter mir etwas mitbekäme. Die Steinmauern waren dick, und meine Mutter hatte die Tür zum Empfangsraum geschlossen. Nicht einmal gedämpfte Stimmen konnte ich hören.
    Die Begegnung dauerte nicht lange. Meine Mutter öffnete die Tür und rief nach Zalumma; ich vernahm ihre schnellen Schritte auf dem Marmorboden, dann die Stimme eines Mannes.
    Ich zog mich geschwind von der Treppe zurück und eilte wieder ans Fenster mit Blick auf die Kutsche des Astrologen.
    Zalumma geleitete ihn aus dem Haus - dann, nachdem sie sich umgeschaut hatte, reichte sie ihm einen kleinen Gegenstand, einen Geldbeutel vielleicht. Er wollte ihn zunächst nicht annehmen, doch Zalumma redete ernst und eindringlich auf ihn ein. Nach kurzem Zögern steckte er den Gegenstand in die Tasche, stieg in seine Kutsche und verschwand aus meinem Sichtfeld.
    Ich vermutete, dass sie ihn für eine Deutung bezahlt hatte, wenngleich es mich auch überraschte, dass ein Mann von solch hohem Ansehen einer Sklavin die Zukunft deutete. Vielleicht hatte meine Mutter aber auch einfach nur vergessen, ihn zu entlohnen.
    Als sie wieder zum Haus ging, schaute Zalumma zufällig auf und begegnete meinem Blick. Ich wurde rot, da man mich beim Spionieren erwischt hatte, und zog mich hastig zurück.
    Ich rechnete fest damit, dass Zalumma, die mich immer gern wegen meiner Missetaten aufzog, den Vorfall später ansprechen würde, doch sie verlor kein Wort darüber.
2
    Drei Tage später kam der Astrologe noch einmal. Und wieder sah ich aus dem Fenster im oberen Stockwerk, wie er aus der Kutsche stieg und Zalumma ihn in Empfang nahm. Ich war aufgeregt; Mutter hatte zugestimmt, mich zu rufen, wenn der richtige Moment gekommen wäre. Für mich stand fest, dass sie Zeit brauchte, um negative Aussagen zu glätten und ihnen einen rosigen Anstrich zu verleihen.
    Diesmal trug der Astrologe seinen Wohlstand in Form einer Tunika aus leuchtend gelbem Damast zur Schau, mit einem Futter aus braunem Marderfell. Bevor er jedoch ins Haus trat, blieb er stehen und redete verstohlen mit Zalumma; sie schlug eine Hand vor den Mund, als hätten seine Worte sie erschreckt. Er stellte ihr eine Frage. Sie schüttelte den Kopf, legte ihm dann eine Hand auf den Unterarm und bat ihn offensichtlich um etwas. Er reichte ihr zusammengerollte Papiere, trat darauf verärgert zurück und ging
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