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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
Autoren: Unbekannter Autor
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der er die Stadt im Griff hielt. Die breite Straße war gesäumt von den palazzi seiner Anhänger: Michelozzo, der Architekt der Familie, Angelo Poliziano, Dichter und Protégé. Weiter hinten und nicht zu sehen waren die Kirche und das Kloster San Marco. Lorenzos Großvater Cosimo hatte die verfallene Kathedrale wieder aufgebaut und die berühmte Bibliothek des Klosters begründet; die Dominikaner ihrerseits verehrten ihn dafür und stellten ihm eine eigene Zelle zur Verfügung, in die er sich zurückziehen konnte, um nachzudenken.
    Cosimo hatte sogar die Gärten am Kloster gekauft, und Lorenzo hatte sie in einen Skulpturengarten verwandelt, ein luxuriöses Übungsgelände für junge Architekten und Künstler.
    Baroncelli und sein Mitverschwörer näherten sich der Kreuzung mit der Via de' Gori, in der die Kuppel der ältesten Kathedrale von Florenz, San Lorenzo, im Westen die Silhouette der Stadt beherrschte. Sie war zu einer Ruine zerfallen, und Cosimo hatte ihre Pracht mit Hilfe von Michelangelo und Brunelleschi wiederhergestellt. Dort ruhten jetzt seine Gebeine, sein Marmorgrabstein stand vor dem Hochaltar.
    Schließlich gelangten die beiden Männer an ihr Ziel: den rechteckigen grauen Klotz des Medici-Palastes, düster und streng wie eine Festung - der Architekt, Michelozzo, hatte die strikte Anweisung erhalten, auf jedwede Art von Verzierung an dem Gebäude zu verzichten, da sonst leicht der Verdacht aufkommen könne, die Medici würden sich über die einfachen Bürger erheben. Doch auch die bescheidene Gestaltung strahlte genügend Pracht aus, um Könige und Prinzen zu bewirten; Karl VII. von Frankreich hatte in der großen Halle diniert.
    Baroncelli schoss der Gedanke durch den Kopf, dass das Gebäude seinem derzeitigen Besitzer ähnelte: Das Erdgeschoss bestand aus grob behauenen, einfachen Steinen, das erste Stockwerk aus ebenmäßigem Backstein, und das zweite Stockwerk war kunstvoll aus makellos glattem Gestein gefertigt, darüber ein überhängendes Gesims. Das Gesicht, das Lorenzo aller Welt zeigte, war ebenso glatt, doch sein Fundament, sein Herz, war rau und so kalt, dass er alles unternehmen konnte, um die Kontrolle über die Stadt zu behalten.
    Es hatte kaum vier Minuten gedauert, den Palazzo der Medici zu erreichen, der die Ecke der beiden Straßen Larga und Gori beherrschte. Diese vier Minuten erschienen wie Stunden; diese vier Minuten vergingen so schnell, dass Baroncelli sich nicht einmal mehr daran erinnern konnte, die Straße entlanggegangen zu sein.
    An der Südseite des Gebäudes, dem Duomo am nächsten, befand sich die Loggia. Sie war zum Schutz vor den Elementen überdacht, doch breite Arkaden boten der Straße ihre Zuflucht an. Hier konnten die Bürger von Florenz sich offen mit anderen treffen und unterhalten, häufig mit Lorenzo oder Giuliano; ein Großteil der Geschäfte wurde unter dem Steindach getätigt.
    An diesem Sonntagmorgen waren die meisten Menschen in der Messe; nur zwei Männer lungerten in der Loggia und sprachen leise miteinander. Einer von ihnen -in einem wollenen Heroldsrock, der ihn als einen Kaufmann und vermutlich einen der Bankiers der Medici auswies - drehte sich um und schaute Baroncelli stirnrunzelnd an, der rasch den Kopf senkte. Die Aussicht, gesehen und wiedererkannt zu werden, machte ihn nervös.
    Noch ein paar Schritte, und die beiden Verschwörer standen vor den dicken Messingtüren des Haupteingangs zum Palast in der Via Larga. Francesco klopfte unerbittlich an das Metall; schließlich wurde seine Mühe durch das Erscheinen eines Dieners belohnt, der sie in den prächtigen Innenhof führte.
    Nun begann die Qual des Wartens, während man Giu-liano rief. Hätte Baroncelli genau in diesem Augenblick nicht die nackte Angst gepackt, wäre er vielleicht in der Lage gewesen, seine Umgebung zu genießen. In jeder Ecke des Hofs stand eine große Steinsäule, mit den anderen durch anmutige Bögen verbunden. Darüber befand sich ein Fries, verziert durch Medaillons mit heidnischen Themen, die sich mit dem Wappen der Medici abwechselten.
    Die sieben berühmten palle, oder Kugeln, waren so angeordnet, dass sie verdächtig einer Krone glichen. Wenn man Lorenzo Glauben schenkte, dann stellten die palle Kerben im Schild eines Ritters von Karl dem Großen dar, des tapferen Averardo, der gegen einen furchterregenden Riesen gekämpft und gewonnen hatte. Karl der Große war so beeindruckt, dass er Averardo erlaubte, sein Wappen nach dem zerschmetterten Schild zu gestalten.
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