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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
Autoren: Unbekannter Autor
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Die Medici behaupteten, von dem tapferen Ritter abzustammen, und die Familie hatte das Wappen jahrhundertelang getragen. Der Ruf »Palle! Palle! Palle!« wurde verwendet, um das Volk zugunsten der Medici zu beeinflussen. Von Cosimo dem Älteren hieß es, er habe selbst den Geschlechtsteilen der Mönche mit seinen Kugeln Zeichen eingebrannt.
    Baroncelli ließ den Blick von einem Medaillon zum anderen schweifen. Auf dem einen war Athene zu sehen, wie sie ihre Stadt verteidigt; ein anderes erinnerte an den geflügelten Ikarus, wie er in den Himmel aufstrebt.
    Schließlich glitt sein Blick auf das Mittelstück des Innenhofs, Donatellos bronzenen David. Baroncelli hatte die Skulptur immer als weibisch empfunden. Lange Locken quollen unter Davids Schäferhut aus Stroh hervor; seine nackte, gekrümmte Gestalt zeigte keinerlei typisch maskuline Muskulatur. Ein Ellenbogen war sogar angewinkelt, und die Hand ruhte mädchenhaft auf der Hüfte.
    An diesem Tag gewann Baroncelli einen vollkommen anderen Eindruck von der Statue. Er sah die Kälte in Davids starren Augen, die auf das Haupt des erschlagenen Goliath gerichtet waren; er sah die Schärfe des großen Schwertes in Davids rechter Hand.
    Wen werde ich heute geben?, fragte sich Baroncelli. Den David oder den Goliath?
    Francesco de' Pazzi schritt neben ihm auf und ab, die Hände auf dem Rücken verschränkt, die kleinen Augen funkelten wütend auf den blanken Marmorboden. Giuliano täte gut daran, bald hier zu erscheinen, überlegte Baroncelli, sonst würde Francesco anfangen, vor sich hin zu murmeln.
    Doch Giuliano kam nicht. Der Diener, ein hübscher junger Mann, gut geölt wie jedes Teil der MediciMaschinerie, kehrte mit einem Ausdruck eingeübter Anteilnahme zurück. » Signori, verzeiht. Es tut mir leid, Euch sagen zu müssen, dass mein Herr und Gebieter gerade indisponiert ist und niemanden empfangen kann.«
    Francesco gelang es kaum, seine Angst rechtzeitig hinter Aufgeräumtheit zu verbergen. »Ah! Bitte, erkläre doch Ser Giuliano, dass es sich um eine äußerst dringliche Angelegenheit handelt.« Er senkte die Stimme, als würde er ein Geheimnis preisgeben. »Das Mittagessen heute findet zu Ehren des jungen Kardinals Riario statt, verstehst du, und er wäre zutiefst enttäuscht, wenn Ser Giuliano nicht teilnehmen würde. Der Kardinal ist jetzt gerade mit Ser Lorenzo im Duomo und fragt nach deinem Herrn. Die Messe wurde aus diesem Grund verschoben, und ich befürchte, wenn Ser Giuliano jetzt nicht mit uns kommt, wird der Kardinal dies als eine Kränkung auffassen. Wir wollen doch nicht, dass er es seinem Onkel, dem Papst, berichtet, wenn er nach Rom zurückkehrt ...«
    Der Diener nickte anmutig, während er die Stirn in Sorgenfalten legte. Dennoch spürte Baroncelli, dass er nicht ganz überzeugt war, ob er seinen Herrn noch einmal stören sollte. Francesco empfand offensichtlich dasselbe, denn er drängte weiter. »Wir sind auf Geheiß von Ser Lorenzo hier, der seinen Bruder bittet zu kommen, und zwar rasch, da wir alle warten .«
    Der junge Mann gab durch ein kurzes Anheben des Kinns zu erkennen, dass er die Dringlichkeit einsah. »Natürlich. Ich werde alles, was Ihr gesagt habt, meinem Herrn weitergeben.«
    Als der Knabe sich umdrehte, warf Baroncelli einen kurzen Blick auf seinen Dienstherrn, dessen Talent für Doppelzüngigkeit er bewunderte.
    Kurz darauf waren Schritte auf der Marmortreppe in den Innenhof hinunter zu hören, dann stand Giuliano de' Medici vor ihnen. So unvollkommen die Gesichtszüge seines Bruders auch sein mochten, Giulianos waren makellos. Seine Nase war, wenn auch markant, so doch gerade und an der Spitze fein gerundet, sein Kiefer stark und kantig; seine Augen, groß und goldbraun, wurden von langen Wimpern gerahmt, um die ihn jede Florentinerin beneidete. Zarte, wohlgeformte Lippen ruhten über ebenmäßigen Zähnen, sein dichtes, lockiges Haar war in der Mitte gescheitelt und zurückgekämmt, um sein hübsches Gesicht besser zur Geltung zu bringen.
    Das Leben hatte es mit dem vierundzwanzigjährigen Giuliano gut gemeint; er war jung, lebhaft, hatte ein ebenmäßiges Gesicht und eine angenehme Stimme. Dennoch sorgte er mit seiner Güte und seinem Einfühlungsvermögen dafür, dass niemand sich in seiner Gegenwart minderwertig vorkam. Tatsächlich war er bei den Bürgern von Florenz wegen seines fröhlichen, großzügigen Wesens allgemein beliebt. Wenn er auch nicht seines Bruders Scharfsinn für Politik besaß, so war er doch klug genug,
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