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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
Autoren: Unbekannter Autor
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bleiben; wenn er seine Verpflichtungen gegenüber dem Herzog erfüllt habe, komme er nach Rom. Dann solle Giu-liano sein Mäzen sein.
    Kurz nach Leonardos Ankunft, als ich zum ersten Mal für ihn in Giulianos römischem Palazzo Modell saß, fragte ich ihn nach meiner Mutter. In dem Moment, als er mir gesagt hatte, ich sei sein Kind, wusste ich, dass es stimmte. Ich hatte in meinem Spiegelbild immer das Gesicht eines anderen Mannes gesucht und deshalb nie das seine gesehen. Dennoch schaute ich in seine Gesichtszüge in weiblicher Form, jedes Mal, wenn ich auf mein Ebenbild auf der grundierten Holzplatte herablächelte.
    Er war tatsächlich in Giuliano verliebt gewesen - bis er durch Lorenzo Anna Lucrezia kennenlernte. Er verschwieg ihr seine Gefühle für sie, weil er sich geschworen hatte, sich niemals eine Frau zu nehmen, die seiner Kunst oder seinen Studien im Wege stünde. Er konnte aber seine Empfindung fast nicht beherrschen, und als er zum ersten Mal erkannte, dass meine Mutter und Giuliano ein Liebespaar waren - an jenem Abend in der düsteren Via de' Gori, als ihn zum ersten Mal der Wunsch überkam, sie zu malen -, packte ihn die Eifersucht. In dem Augenblick, gestand er mir, hätte er Giuliano eigenhändig umbringen können.
    Und am darauffolgenden Morgen im Duomo habe ihn diese Eifersucht davon abgehalten, die drohende Tragödie rechtzeitig wahrzunehmen.
    Deshalb hatte er nie jemandem von seiner Entdeckung erzählt - kurz nachdem er als Spion der Medici in die San-tissima Annunziata gekommen war -, dass mein Vater der Büßer im Duomo war. Wie konnte er einen Mann ausliefern, der seiner Eifersucht nachgegeben hatte, wenn er selbst davon besessen war? Es hätte keinen Sinn ergeben; ebenso sinnlos war es, mir mit solchen Neuigkeiten unnötig Schmerz zuzufügen.
    Als der Mord geschah, war Leonardo am Boden zerstört. Und an dem Tag, als Giuliano in San Lorenzo beigesetzt wurde, hatte er überwältigt das Kirchenschiff verlassen und war auf den Kirchhof hinausgegangen, um abseits von den Übrigen seinem Kummer freien Lauf zu lassen. Dort traf er auf meine weinende Mutter und gestand ihr seine Schuld und seine Liebe zu ihr. Der gemeinsame Kummer verband sie, und unter seinem Einfluss verloren sie sich.
    »Du siehst, welches Elend meine Leidenschaft deiner Mutter gebracht hat, und dir«, sagte er. »Ich konnte nicht zulassen, dass du denselben Fehler begehst. Ich wollte nicht riskieren, dir zu sagen, dass Giuliano noch lebte, aus Angst, du würdest versuchen, Kontakt mit ihm aufzunehmen, und damit euch beide gefährden.«
    Ich schaute aus dem Fenster in die unbarmherzige Sonne. »Warum hast du es mir nicht gleich zu Anfang gesagt?«, drängte ich ihn sanft. »Warum hast du mich in dem Glauben gelassen, ich sei Giulianos Kind?«
    »Weil ich wollte, dass du die vollen Rechte einer Medici hast; sie konnten sich viel besser um dich kümmern als ein armer Künstler. Es hat niemandem geschadet und Lorenzo auf seinem Sterbebett noch Freude bereitet.« Seine Miene wurde traurig und zärtlich. »Vor allem wollte ich das Gedenken an deine Mutter nicht besudeln. Sie war eine sehr tugendhafte Frau. Sie gestand mir, sie habe die ganze Zeit, in der sie mit Giuliano zusammen war, nicht mit ihm schlafen wollen - obwohl alle Welt es geglaubt hat. So treu war sie ihrem Gemahl ergeben; weshalb ihre Scham, nachdem sie sich mir hingegeben hatte, umso größer war.
    Warum sollte ich eingestehen, dass sie und ich - immerhin ein Sodomit - ein Liebespaar waren, und riskieren, den ihr gebührenden Respekt zu beschädigen?«
    »Ich achte sie deshalb nicht weniger«, sagte ich. »Ich liebe euch beide.«
    Er strahlte.
    Ich werde das Porträt Leonardo mitgeben, wenn er wieder nach Mailand geht. Und wenn er es fertigstellt - falls er es je vollendet -, werden weder ich noch Giuliano es annehmen. Ich möchte, dass er es behält.
    Denn er hat nur Salai. Doch wenn er das Bild mitnimmt, werden meine Mutter und ich immer bei ihm sein.
    Ich meinerseits habe Giuliano und Matteo. Und jedes Mal, wenn ich in den Spiegel schaue, werde ich meine Mutter und meinen Vater sehen.
    Und werde lächeln.
DANKSAGUNGEN
    Folgenden Menschen bin ich zu tiefstem Dank verpflichtet: Meinem Mann, der im vergangenen Jahr nicht nur Krebs, Chemotherapie und nachfolgende Komplikationen überlebt hat, sondern, was viel beeindruckender war, auch die Entstehung dieses Romans, und das mit Humor; meinen hervorragenden Agenten Russell Galen und Danny Baror, die mich seit über
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