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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
Autoren: Unbekannter Autor
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ich hatte ihn gefragt, warum er so nett zu mir gewesen sei.
    Weil ich dich liebe, Kind.
    Hatte er geglaubt, er sei mein Onkel? Oder hatte Leonardo ihm die Wahrheit gesagt?
    Ich nahm meinen Handspiegel und schaute hinein. Ich hatte Leonardo belogen, als ich ihm einmal sagte, ich betrachtete mein Spiegelbild nicht oft. Nachdem ich von der Affäre meiner Mutter mit Giuliano erfuhr, hatte ich meine Gesichtszüge sorgfältig studiert, auf der Suche nach Hinweisen auf den lächelnden jungen Mann, der für Leonardos
    Terrakottabüste posiert hatte. Und ich hatte ihn dort nie entdecken können.
    Als ich nun in den Spiegel sah, schaute mich Leonardo an, hager und eulenhaft.
    Am dreiundzwanzigsten Mai, einen Tag bevor Giuliano mich im Duomo treffen sollte, wachte ich erst spät auf. In der Nacht hatte ich schlecht geschlafen, geweckt von Matteos gedämpftem Jammern in den Räumen unter mir; auch ich weinte, bis ich weit nach Morgengrauen in einen schweren, tränennassen Schlaf fiel.
    Ich stand auf, trat auf meinen Balkon hinaus und blinzelte in die Sonne, verblüfft, dass sie den Zenit schon überschritten hatte und sich leicht gen Westen neigte; es war bereits Nachmittag. Der Himmel war außergewöhnlich blau und wolkenlos - bis auf einen langen Finger aus schwarzem Rauch, der sich im Osten erhob.
    Wie gebannt starrte ich darauf, bis Elena hereinkam. Ich ging zurück ins Zimmer, als sie gerade ein Tablett mit Brot und Obst auf den Tisch stellte. Mit ernstem Blick schaute sie hoch und richtete sich auf. »Ihr habt den Rauch also gesehen?«
    »Ja«, sagte ich langsam, noch benommen vom Schlaf. »Ist es .«
    »Savonarola«, sagte sie.
    »Dann haben sie ihn verbrannt.« In den vergangenen Wochen hatte ich nicht mitbekommen, was in der Außenwelt vor sich ging. Das Letzte, von dem ich erfuhr, war, dass man Savonarola verhaftet hatte. Aber als ich den Rauch sah, wusste ich sofort, was passiert war.
    »Zuerst haben sie ihn gehängt«, erwiderte sie unglücklich. »Auf der Piazza, am selben Fleck, an dem der Scheiterhaufen für nichtige Dinge und die Feuerprobe aufgebaut waren. Heute Morgen bin ich hingegangen. Ser Francesco hat uns alle dazu aufgefordert.«
    »Hat er etwas gesagt?«
    »Fra Girolamo? Nein, kein einziges Wort. Er trug nur sein wollenes Unterhemd. Es war ein hässliches Geschäft. Sie haben ein rundes Gerüst für das Feuer errichtet und mit Brennholz aufgefüllt. In der Mitte wurde ein Holzbalken befestigt, so hoch, dass man eine lange Leiter bauen musste, um hinaufzukommen. Der Henker trug ihn hinauf und legte ihm die Schlinge um den Hals. Er hat noch ein wenig gezappelt und ist nicht sofort gestorben.
    Dann haben sie das Feuer angezündet. Irgendein Narr hatte Knallkörper ins Brennholz geworfen, was alle zunächst zu Tode erschreckte. Sie legten Ketten um die Mönche, damit die Leichen nicht ins Feuer fielen, wenn die Halsschlingen verbrannten, sondern langsam rösteten. Die Signoria wollte ein Spektakel.« Sie schauderte. »Die Mönche verkohlten; dann hat ein giovano einen Stein auf sie geworfen, und die blutigen Gedärme platzten heraus ... Am Ende wurden die Flammen so heiß und schlugen so hoch, dass die Leichen durchkochten, Arme und Beine fielen ab .«
    Ich schloss für einen Moment die Augen. »Ja«, sagte ich leise. »Ja, gewiss.« Ich schaute Elena an. »Du hast gesagt >die Mönche< ... Er war also nicht der Einzige, der hingerichtet wurde?«
    »Nein. Der schwere Mönch, der die Feuerprobe bestehen wollte . Wie hieß er noch? Domenico. Fra Domenico ist mit ihm gestorben.«
    »Danke«, sagte ich. »Ich werde jetzt frühstücken. Ich rufe dich, wenn ich bereit bin, mich anzukleiden.«
    Sie ging. Ich aß nicht; stattdessen trat ich wieder auf den Balkon, setzte mich in die Sonne und sah dem Rauch zu, der gen Himmel stieg. Vermutlich war Fra Domenico nun, da Savonarola nicht mehr da war, für Salvatore und Francesco zu einer Belastung geworden.
    Zalumma hätte sich gefreut.
70
    Am nächsten Morgen, als Elena kam, um mich anzukleiden, brachte sie einen kleinen Samtbeutel mit. Als sie ihn über dem Tisch öffnete, fielen die Saphirkette und das mit Diamanten besetzte Haarnetz heraus. Beides hatte ich an dem Tag getragen, als ich Francesco heiratete.
    Sie waren nicht in meiner Truhe aufbewahrt worden. Diese hatte ich am zweiten Tag meiner Gefangenschaft geöffnet und festgestellt, dass mein gesamter Schmuck fort war; ich hatte danach gesucht, weil ich Elena bestechen wollte, mit Matteo zu fliehen.
    Francesco
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