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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie
Autoren: Gwen Bristow
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ereignet, während Garnet mit ihrer Mutter in Rockaway Beach weilte. Gelegentlich einer Spielhausstreiterei waren zwei Männer erschossen worden. Der eine der beiden Toten war ein Außenseiter unbekannter Herkunft; sein Schicksal hatte niemand interessiert. Wäre das zweite Opfer ebenso namenlos unbekannt gewesen, Garnet hätte wohl nie ein Wort über die Affäre vernommen.
    Aber das zweite Opfer war Mr. Francis Selkirk, ein wohlhabender Mann von sechsundvierzig Jahren, der am Washington Square gewohnt hatte. Mr. Selkirk war als Gentleman mit abseitigen Gewohnheiten bekannt gewesen. Man wußte von ihm, daß er nicht selten an allerlei Stätten des Lasters zu verkehren pflegte. Aber man wußte auch, daß er über einen beträchtlichen Reichtum gebot und gute Verbindungen nach den verschiedensten Richtungen unterhielt. Er hatte erst in jüngster Zeit eine junge Dame aus den ersten Kreisen der Stadt geheiratet, die kaum halb so alt war wie er. Sein jäher Tod anläßlich eines Spielhausstreites hatte damals im Sommer Anlaß zu allerlei Flüstereien gegeben; manches davon war auch zu dem Hotel in Rockaway Beach gedrungen, in dem Mrs. Cameron mit ihrer Tochter wohnte. Garnet hatte sich für den Fall brennend interessiert, aber es hatte sich niemand gefunden, der ihr Näheres darüber sagte. Sobald sie erschien, verstummte das Geflüster der älteren Damen, und auch ihre Mutter wies es weit von sich, vor ihren Ohren darüber zu sprechen. Sie sagte ihr sehr nachdrücklich, daß es höchst unschicklich sei, durch indiskrete Fragen eine unanständige Neugier zu verraten. Und so wußte Garnet denn fast nichts über den Selkirk-Mord, außer der Tatsache selbst und dem Umstand, daß es der Polizei bisher nicht gelungen sei, den Mörder zu ermitteln und festzunehmen.
    Die Angehörigen Selkirks zeigten sich über dieses offenkundige Versagen der staatlichen Sicherheitsorgane höchst verärgert und verlangten immer wieder, daß Mittel und Wege gefunden würden, den Mordschützen vor Gericht zu bringen und seiner Strafe zuzuführen. Aber offenbar lagen die Dinge sehr schwierig und verwickelt. Es gab an sich zahllose Zeugen, denn der Spielsalon, in dem die Affäre sich ereignet hatte, war an jenem Abend sehr besucht gewesen. Doch widersprachen sich die verschiedenen Aussagen sehr erheblich; die meisten Gäste waren stark daran interessiert, das Prestige des Salons zu schützen und erwiesen sich als unglaubwürdig. So ging Woche um Woche dahin, niemand wurde des Selkirk-Mordes wegen ins Verhör gebracht, und es währte nicht lange, da legte sich die Aufregung und die Leute begannen von anderen Dingen zu reden.
    Das war alles, was Garnet von dieser Sache wußte. Dinge, von denen man sagte, daß sie junge Damen nichts angingen, reizten immer ihre Neugier, aber nie hätte sie sich träumen lassen, daß der Selkirk-Skandal eines Tages für sie selbst von einschneidendster Bedeutung werden sollte.
    Mr. Selkirk hatte offenbar nicht mit seinem baldigen Ableben gerechnet, denn er hatte kein Testament hinterlassen. Sein Vermögen wurde von der Bank verwaltet, deren Vizepräsident Garnets Vater war. Mr. Horace Cameron oblag es unter anderem, eben diesen Fall zu bearbeiten. Zu dem hinterlassenen Selkirk-Vermögen gehörte ein mit Stoffen und Haushaltsbedarf aller Art angefülltes Warenhaus. Mr. Cameron verkaufte das Gebäude und stellte die darin befindlichen Waren im Einverständnis mit der Witwe, die eine schnelle Abwicklung des Geschäfts wünschte, zu niedrigen Preisen zum Verkauf.
    Dies nun war der Anlaß, der Oliver Hale eines Tages im Oktober zur Bank führte, wo er Mr. Cameron zu sprechen verlangte. Oliver war eben erst in New York angekommen. Er hatte niemals etwas von Mr. Selkirk gehört, und die Affäre, in der dieser zu Tode gekommen war, interessierte ihn nicht im geringsten. Ihn interessierten lediglich die zum Verkauf ausgebotenen Stoffe und Haushaltswaren. Er sagte Mr. Cameron, Artikel der angebotenen Art seien eben der Gegenstand seines Handels, und er würde es sehr begrüßen, das Lager in Ruhe besichtigen zu dürfen.
    Oliver übte den Beruf eines Präriehändlers aus. Er war eigens nach New York gekommen, um Waren einzukaufen, die er dann in Planwagen laden und in den mexikanischen Provinzen westlich der Staatengrenze verkaufen wollte. Er war sechsundzwanzig Jahre alt. Mr. Cameron meinte, das sei ein sehr jugendliches Alter für einen so schwierigen Beruf. Oliver antwortete lachend, er sei bereits seit seinem achtzehnten
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