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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie
Autoren: Gwen Bristow
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Lebensjahr im Präriehandel tätig; die meisten Männer in diesem Geschäft seien unter dreißig; nach Überschreitung dieser Altersgrenze zögen sie sich in der Regel daraus zurück und wendeten sich weniger anstrengenden Betätigungen zu. Mr. Cameron gewann den Eindruck, es bei Oliver mit einem tüchtigen Burschen zu tun zu haben; was er vom Grenzhandel zu erzählen wußte, war höchst interessant. Und so nahm er ihn eines Tages zum Essen mit nach Hause. Mrs. Cameron, die erwartet hatte, einen ungehobelten Patron kennenzulernen, dem der Umgang mit Messer und Gabel Schwierigkeiten bereiten würde, sah sich angenehm enttäuscht, denn Oliver zeigte bei Tisch ausgezeichnete Manieren. Ihre Fragen wußte er gewandt und sicher zu beantworten. Er sagte, daß er in Boston aufgewachsen sei, und erzählte lachend, daß er Harvard mitten im Semester verlassen habe, da die Abenteuer der Grenze ihm verlockender als Latein und Griechisch erschienen seien. Garnet lauschte interessiert seinen Plaudereien, ohne sich zunächst Rechenschaft darüber abzulegen, ob der junge Mann ihr gefiele. Immerhin fand sie, Mr. Hale sei der ungewöhnlichste und seltsamste junge Mann, dem sie jemals begegnet sei. Sein Wesen und seine Art zu erzählen vermittelten ihr einen solchen Eindruck von Kraft und Größe, daß sie verblüfft und überrascht war, als sie feststellen mußte, daß er körperlich nur mittelgroß war. Allerdings vermochte selbst die Kleidung seinen kräftigen Wuchs und die Muskelpakete an Armen und Beinen nicht zu verbergen. Seine korrekte, ja gediegene Kleidung – schwarzer Anzug, Brokatweste und Leinenhemd mit hoher Halsbinde – trug er, als komme er sich dumm darin vor. Garnet fühlte sich an einen Schauspieler erinnert, den man in ein Phantasiekostüm steckte und der sich nun mühte, so zu tun, als sei er durchaus gewöhnt, dergleichen zu tragen. Olivers Hände sahen aus, als habe er sie stundenlang gescheuert und mit der Bürste bearbeitet; sie glänzten vor Sauberkeit, schienen aber nichtsdestoweniger die Hände eines Schwerarbeiters. Seine sandfarbenen Locken, sauber geschnitten, widerstanden jedem Versuch, sie durch Kamm und Bürste zu bändigen. Das Merkwürdigste aber schien Garnet sein Gesicht. Es zeigte liebenswürdige und gefällige Züge, die braunen Augen sahen lustig und ein wenig verschmitzt in die Welt, auch der Mund ließ auf Sinn für Heiterkeit schließen. Indessen sah es so aus, als seien da zwei Gesichter zu einem zusammengefügt worden und die beiden Hälften paßten nicht zueinander. Die obere bis zu den Augen herunter war tief gebräunt und vom Wetter wie Leder gegerbt. Die Lachfalten in den Augenwinkeln standen weiß in dem tiefen Braun; es sah aus, als habe er monatelang im brennenden Sonnenschein unentwegt lachend gelebt. Wangen und Kinn erschienen dagegen zart und weiß wie die einer behüteten Dame, die nie ins Freie ging, ohne ihre Gesichtshaut durch einen Schleier zu schützen. Während sie sich bei Tisch gegenüber saßen, fing Oliver einmal einen Blick Garnets auf; er quittierte ihn mit einem verschmitzten Lächeln, und sie errötete.
    Nach dem Essen waren sie beide ein paar Minuten allein. Die Jungen waren hinaufgeschickt worden, um ihre Schularbeiten zu machen, Mrs. Cameron war hinausgegangen, um der Dienerschaft einige Anweisungen zu geben, und Mr. Cameron hatte sich in sein Zimmer begeben, um Kognak für seinen Gast zu holen. Garnet führte Oliver ins Wohnzimmer. Er zog einen Stuhl für sie an das Kaminfeuer und lächelte ihr wieder zu, als bestände zwischen ihnen ein geheimes Übereinkommen. Die Lachfältchen in seinen Augenwinkeln zuckten; er sagte: »Ich habe ihn vor zehn Tagen abrasieren lassen.«
    »Oh!« rief Garnet und legte vor Verlegenheit die Hand auf den Mund; »so ist das also: Sie trugen einen Bart.«
    Er nickte: »Ich sah aus wie Robinson Crusoe. Auf dem Wege gab’s keine Gelegenheit zum Rasieren.« Er zeigte ihr seine Hände. »Wie ein Lastträger, was?« sagte er; »es war keine Kleinigkeit, die Maulesel über die Berge zu führen. Dies ist das Ergebnis.«
    »Oh, erzählen Sie mir«, bat Garnet. »Sie wissen so gut zu erzählen.«
    Er lachte: »Ich wüßte mir nichts Lieberes. Wie ist es: Würden Sie wohl mit mir ausreiten, wenn ich Sie darum bäte?«
    »Ich fürchte, Mutter würde es nicht erlauben«, versetzte Garnet, schon wieder verlegen, weil ihre eigene Stimme ihr gar so bewundernd geklungen hatte. »Sie kennt Sie noch nicht gut genug«, setzte sie hinzu.
    »Ich werde
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