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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie
Autoren: Gwen Bristow
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niemand sagte etwas. Weder Garnet, noch Florinda, noch Nikolai waren von Natur aus stille und ruhige Menschen, aber diese Geschichte ließ sie verstummen. John fuhr fort:
    »Morgen früh gehe ich zum Alkalden und frage, wann Garnet und ich heiraten können. Dann beladen wir unsere Pferde und ziehen dort hinauf. Der Sommer da oben wird nicht leicht werden, aber auch nicht zu schlimm. Wir werden uns unterwegs alles besorgen, was wir brauchen, vor allem ein Zelt. Wenn wir ankommen, könnte die Regenzeit schon vorbei sein. Wir werden natürlich sofort aufbrechen, ehe zuviel von der Sache geredet wird, denn es ist klar, daß immer mehr Leute darauf aufmerksam werden, und ich bin sicher, um Mittsommer wimmeln die Goldfelder schon von Menschen. Aber wir werden unter den ersten sein, und ich bin überzeugt, daß wir reiche Leute sind, bevor die neue Regenzeit anfängt.« Er drückte Garnets Hand. »Wir werden reich sein«, wiederholte er.
    Garnet hatte einen Kloß im Hals. In den ersten Minuten war sie zu überrascht gewesen, um irgend etwas anderes zu fühlen, aber nun war der Kloß da und sie spürte eine Welle von Furcht. Es war ein ganz unbestimmtes Gefühl, sie wußte nicht, wovor sie sich fürchtete, und sie wollte vor allem nicht, daß John etwas davon merke. Sie erwiderte deshalb den Druck seiner Hand und sagte, eigentlich nur um etwas zu sagen: »Auf welche Weise hat man das Gold denn entdeckt?«
    »Ich werde es euch erzählen«, erwiderte John. Das bekannte kühle Lächeln stand auf seinem Gesicht; er sagte: »Es ist eine Geschichte mit einer Moral.«
    »Erzähle!« stieß Florinda aufgeregt heraus. Sie hatte John bisher fast atemlos zugehört. Moral oder nicht, sie fand, das Ganze sei wunderbar.
    »Du kennst Sutter’s Fort«, sagte John, zu Nikolai gewandt. Er lächelte den Mädchen zu und erklärte: »Ihr müßt wissen, das alte russische Fort Ross liegt da oben; Nikolai hat da seine Jugend verbracht. Das Land gehört einem Schweizer namens Sutter, der sich dort niederließ und kalifornischer Staatsbürger wurde. Der Mann hat da oben ein riesiges Unternehmen gegründet, hat ungeheuren Landbesitz, zehn-oder zwölftausend Rinder, noch mehr Schafe, Tausende von Mauleseln und Schweinen und einen Farmbetrieb, von dem man sagt, daß er im vergangenen Jahr zwanzigtausend Scheffel Weizen erzeugt habe. Er hat außerdem eine Gerberei und eine Mehlmühle, und Gott mag wissen, was sonst noch. Er beschäftigt viele amerikanische Arbeiter und hat mehrere hundert Digger und andere Indianer, die er wie Sklaven hält, obgleich es natürlich keine Sklaverei gibt. In der Nachbarschaft gibt es eine Reihe kleinerer Ranchos, die in der Hauptsache Amerikanern gehören, und mehrere Handels-und Ladengeschäfte, die ihm gehören.
    Sutter benötigt sehr viel Bauholz und unterhält zu diesem Zweck auch eine Sägemühle. Er sah sich nach einem geeigneten Platz dafür um und fand ihn am American-River, und zwar in einem Teil des Landes, der ihm nicht gehörte. Das Land gehörte Sutter nicht, aber es gehörte auch keinem anderen, wenn man die Digger ausnehmen will. Sutter schickte eine Arbeiterkolonne, acht oder zehn weiße Männer und rund ein Dutzend Digger, um die Sägemühle zu bauen. Die Leute gingen an die Arbeit, hoben den Mühlgraben aus und leiteten das Wasser vom Strom ab, um ihn auf natürliche Weise tiefer auswaschen zu lassen. Am Morgen danach ging der Boß, ein Mann namens Marshall, zum Graben hinunter, um sich anzusehen, was das Wasser über Nacht geleistet habe. Die Sonne ging eben auf, und Marshall erblickte unter dem Wasser auf dem Grunde des Grabens etwas Glänzendes. Er bückte sich, um nachzusehen, was es wäre. Vielleicht war einem der Arbeiter eine Münze aus der Tasche gefallen oder irgendein Uhranhängsel abgerissen und ins Wasser geglitten. Jedenfalls faßte er mit der Hand hinein und hob das kleine glänzende Ding auf.«
    »Und es war Gold«, sagte Florinda. Sie flüsterte und in ihrer Stimme schwang unverhohlene Ehrfurcht.
    »Wann war das, John?« fragte Garnet. Sie hatte noch immer den Kloß im Hals.
    »Eines Tages im letzten Januar. Ich wollte, ich wäre dort gewesen.«
    »Ich auch, wahrhaftig!« seufzte Florinda.
    Nikolai sagte: »Du meintest, die Geschichte habe eine Moral, John. Was ist das für eine Moral?«
    Um Johns Lippen spielte ein Spottlächeln. »Sie fiel mir ein, als ich selbst das Gold sah«, sagte er. »Ihr alle habt von den ersten Weißen gehört, die einmal in dieses Land kamen, ich meine die
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