Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition)
Autoren: Christian Gallo
Vom Netzwerk:
eigenen Querverweis. Ich beschreibe es dir als tiefblaue Aura, die aus den offenen Augen deines toten Vaters drang, ihn kurz einhüllte und sich dann verflüchtigte. Ich meine, dieses blaue Fließen.
    Das Unbekannte. Sie blickt weiter auf ihren Vater hinab.
    Du weißt davon. Seitdem trägst du dieses Wissen in dir. Und es macht dir wenn nicht Angst, so doch ein großes Unbehagen.
    Und darum diese Geschichte. Dieser Dampier hat es getan. Dein Vater hat es getan. Und du, willst du es etwa eines Tages auch tun? Vielleicht schon bald? Antworte mir, Nazma.
    Wieder verändert sich die Szenerie. Plötzlich ist alles anders. Ihr Vater ist fort. Sie steht einer Frau gegenüber. Sie sieht nicht aus wie Sarah, sah überhaupt nicht aus wie ein Mensch, aber Nazma weiß, daß es Sarah ist.
    Sie schlagt Sarahs Hand beiseite und brüllt: Vielleicht hasse ich all diese Menschen!
    Sarah sagt: Vielleicht haßt du dich selbst.
    Vielleicht haßt du dich selbst.
    Es nahm kein Ende.
    Vielleicht...
    Corey...
    ... haßt...
    Er ist nicht fort, nicht ganz. Das wird er niemals sein. Er hat etwas zurückgelassen.
    ... du...
    In ihr.
    ... dich ...
    In...
    ... selbst.
    ... mir.

45
    Corey wußte, daß sie abhoben. Das Sternenschiff bewegte sich, flog dabei nicht auf herkömmliche Weise, sondern ›schwamm‹. Schwimmen schien das richtige Wort, eine verzweigte Folge pulsierender Wellenbewegungen, die die
Gaia
antrieben.
    Sie gewann an Höhe, erst nur wenige Meter, als schien das Schiff selbst unentschlossen. Auf unerfindliche Art wuchs Coreys Geist, dessen Kapazität, während dieses Aufstieges. Tiefes Einatmen –
in Gedanken? Nein. In echt
– und Ausatmen. Corey ließ aufsich zukommen, was sich da anbahnte.
    Er kam sich vor wie ein Blatt in einem Orkan psychischsensorischer Stimulantia – aber dem nicht ausgeliefert, sondern als Teil dessen. Galoppierendes Herz. Tachykardie. Rasender Puls, rauschendes Blut; und die Augen, die Augen so irrsinnig weit offen.
    Er betrachtete seine Situation von einem heuristischen Standpunkt aus.
    Heuristisch: setze einen Teil der Lösung als gegeben voraus und probiere einfach aus, ob du zu einer Antwort gelangst, oder nicht. Ein Test. Viele Probleme lassen sich erst dann lösen, wenn man vom Endergebnis bis zur Ausgangssituation rückwärts rechnet, um so die Aufgabenstellung zu rekonstruieren.
    Das Ergebnis: Corey reiste an Bord eines etwas wie Intelligenz ausstrahlenden Sternenschiffes, das eine fremde, mysteriöse Rasse, deren Gesandte, eine unbeschreiblich anziehende Frau, Galdea von Som, sich keine zehn Schritte von ihm entfernt befand, gebaut hatte, und das gesteuert wurde von Mary-Doria Patrick, einem Fliegerass, einer gefallenen Legende, der er kürzlich ins Gesicht geschlagen hatte...
    Soweit die Situation. Wie hatte es so weit kommen können? Wie sollte es jetzt weitergehen?
    Mögliche Antworten – Rekonstruktionen einer irrealen Wirklichkeit – rauschten aufleuchtend und verlöschend an ihm vorbei. Arkanes Wissen im Wandel von Licht und Dunkelheit. Ausblicke und Vergangenes. Zunächst waren beide Extreme von einander getrennt, dann wurde alles eine Mixtur aus beidem. Corey schwindelte. Sein Schädel schien bersten zu wollen. Das alles war zuviel für ihn. Und doch schien es ganz leicht, ganz normal. Es war wie ein halsbrecherischer Sturz nach oben, wie ein umgekehrter freier Fall.
    Und dennoch war er glücklich, so glücklich und befreit von allem, wie nie zuvor in seinem Leben. Es war sein erdgebundener Teil, der sich den Kopf zerbrach. Sein Herz war längst frei.
    Zufrieden schloß er für einen Moment die Augen und ließ seine Arme sinken.
    Die Hülle der
Gaia
wandelte sich: eine endlos fein verästelte Nanostruktur, wie von einem Gingkoeffekt überzogen, entstand, in der Folge eine Halbtransparenz. Den Insassen erlaubte das einen atemberaubenden Rundblick hinaus. Da war die Montagehalle. Durch ein wie von einer Abrißbirne rührenden Loch in der Wandstürmte ein Skulltrupp. Der Hangar leuchtete wieder Blau. Die zuvorderst Laufenden brachen plötzlich zusammen und wanden sich in konvulsivischen Zuckungen auf dem Boden wie nach einem Stromschock. Genugtuung in den Gesichtern mancher. Das war die
Gaia
gewesen. Man fand nur gerecht, was diesen Teufeln widerfuhr.
    Irgend etwas durchzuckte Dorias Hände an den Kontrollen, erreichte ihren Kern; die
Gaia
hing zehn Meter über dem Boden, dann schoß sie empor, durchschlug das Hangardach und zerstörte es vollends. Trümmerstücke der glattpolierten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher