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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition)
Autoren: Joe R. Lansdale
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beschäftigten, plötzlich wieder ein, dass sie sich während des Sturms fürchterliche Sorgen um ihre Enkelin gemacht hatte, aber für diese Sorgen war kein Platz mehr gewesen, als Sunset nur mit einem Hemd bekleidet und mit der Waffe in der Hand hereingeplatzt war und gesagt hatte, sie habe Pete umgebracht. Doch jetzt musste sie wieder an Karen denken und auch an Sunset.
    All das ging ihr durch den Kopf, während sie schlaflos im Bett lag. Vor ihrem geistigen Auge liefen immer wieder dieselben Szenen ab, vor allem die von ihrem Sohn mit dem kleinen Loch im Kopf. Als sie ihn im Wohnzimmer auf die Bahre gelegt hatten, war sein Kopf auf die Seite gerollt und die plattgedrückte blutige Kugel aus seinem Mund auf den Boden gefallen. Sie sah das Bild immer noch vor sich, hörte immer noch die Kugel zu Boden fallen.
    Während sie so dalag, wurde ihr noch etwas anderes klar. Es tat ihr weh, es sich einzugestehen, aber sie wusste, dass es stimmte, und hatte es auch schon ziemlich lange gewusst. Mit Pete hatte es irgendwann so weit kommen müssen.
    Pete war genau wie sein Vater. Schon seit Jahren hielt Jones, wie Marilyn ihren Mann nannte, jedes seiner Worte für der Weisheit letzten Schluss, selbst wenn er manchmal nichts als Stuss verzapfte.
    Pete war genauso.
    Jones hatte ihr mehr als einmal ein blaues Auge verpasst – und dabei war es oft nicht geblieben. Er hatte sie getreten. Geschlagen. Und vergewaltigt. Bis zu diesem Tag war sie überhaupt nicht auf die Idee gekommen, es als Vergewaltigung zu bezeichnen. Sie hatte geglaubt, das sei einfach seine Art, und Ehemänner verhielten sich nun mal so.
    Aber jetzt dachte sie über das nach, was Sunset gesagt und getan hatte, und ihr wurde klar, dass sich ein Ehemann nicht so aufführen musste, und wenn er es doch tat, dann war das nicht in Ordnung.
    Sie spürte, wie ihr schweißüberströmter Rücken an den Laken festklebte, dachte daran, wie viel angenehmer es auf der Veranda sein musste, und fragte sich, warum sie heute Nacht nicht dort schliefen. Sie setzte sich auf und betrachtete ihren Mann. An diesem Abend hatte er sich nicht auf sie gestürzt, aber das war nur wegen Pete. Nur deswegen hatte er kein Blei mehr in seinem Stift.
    Morgen würde er sie wieder schlagen, das wusste sie genau. Würde an ihr auslassen, was mit Pete passiert war. Und irgendwie würde er es so hindrehen, dass alles ihre Schuld war. »Siehst du, wozu du mich getrieben hast?«, sagte er dann immer.
    Marilyn stand leise auf, schlich auf nackten Sohlen zur Kommode, nahm aus der Schublade eine große Nadel für die Singer-Nähmaschine, glitt leise ins Wohnzimmer und starrte auf ihren aufgebahrten Sohn.
    Sie hatte ihn gewaschen und ihm ein paar Sachen von seinem Vater angezogen, hatte sich sogar dazu überwunden, ihm das Auge in die Höhle zurückzudrücken, ihm die Lider nach unten zu schieben und das Einschussloch mit Kerzenwachs zu verschließen.
    Eine Zeit lang stand sie einfach da und sah ihn an. Dann richtete sie ihm das Haar, damit es frisch gekämmt aussah. Anschließend ging sie nach draußen und suchte unter der Veranda nach dem Angelkasten ihres Mannes. Sie zog eine dicke Angelschnur heraus und kehrte wieder ins Haus zurück. Dort fädelte sie rein nach Gefühl im Dunkeln die Schnur in die Nähmaschinennadel ein, ging ins Schlafzimmer, zog äußerst vorsichtig die Decke vom Bett und nähte dann rundum das Laken an der Matratze fest, auf der Jones lag.
    Sie arbeitete leise, geduldig und entschlossen. Als sie fertig war, lag Jones fest eingenäht da, nur sein Kopf schaute noch heraus. Sie legte die Nadel zur Seite, verließ das Haus und holte den Rechen.
    Der Rechen war immer nur dazu benützt worden, den Boden schön gleichmäßig zu harken, und wenn sie sich das jetzt so überlegte, war das eigentlich völlig blödsinnig. Manchmal rechte sie den Boden, um nicht verrückt zu werden beim ewigen Kreischen der Säge, dem Lärm der Männer und Maultiere und dem Dröhnen der Maschinen, während sie sich schon auf die nächste Tracht Prügel gefasst machte.
    Schließlich ging sie wieder ins Schlafzimmer und betrachte Jones wiederum eine Zeit lang. Dann hob sie den Rechen und ließ ihn mit voller Wucht auf seinen Schädel krachen, wobei sie sich vorstellte, sie stünde auf einem Wassermelonenbeet und würde eine Melone zerteilen.
    Jones erwachte, schrie, und schon ließ sie den Rechen ein zweites Mal auf ihn hinabsausen. Er drehte den Kopf in ihre Richtung, und wieder schlug sie zu. Diesmal legte sie
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