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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi
Autoren: Arnaldur Indriðason
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aber Davið gefragt, ob er Lust hätte, mit ihm ins Kino zu gehen, doch der hatte geantwortet, er habe etwas anderes vor, aber nicht gesagt, was. Auch andere Freunde und Bekannte wussten nichts darüber, was Davið an diesem Abend unternommen hatte. Er hatte dünne Sachen angehabt, als er sein Elternhaus verließ, und hatte nur gesagt, dass er vielleicht bei seinem Freund übernachten würde.
    Eine Suchmeldung wurde über Zeitungen und Fernsehen verbreitet, aber ohne Erfolg. Je mehr Zeit verstrich, desto mehr schwanden die Hoffnungen der Eltern und des Bruders. Selbstmord hielten sie für völlig ausgeschlossen, sie waren sich sicher, dass ein derartiger Gedanke ihm nie gekommen wäre. Nachdem Wochen und Monate verstrichen waren und noch immer keinerlei Erklärung für Daviðs Verschwinden aufgetaucht war, sagte Erlendur, dass man Selbstmord nicht ausschließen könne. Er persönlich konnte es sich nicht anders erklären, denn der junge Mann war kein Outdoor-Freak gewesen, der auf Berge kletterte oder sich im unbewohnten Hochland herumtrieb. Möglicherweise war er auch aus purem Zufall heraus irgendwelchen Gangstern in die Quere gekommen, die ihn aus unbekannten Gründen umgebracht und die Leiche verscharrt hatten. Sowohl seine Eltern als auch die Freunde stritten mit aller Entschiedenheit ab, dass er Feinde hatte oder in kriminellen Kreisen verkehrt hatte, was sein Verschwinden vielleicht hätte erklären können. Das Land hatte er nicht verlassen, das hatte die Überprüfung der Passagierlisten von Flugzeugen und Frachtschiffen ergeben. Von den Angestellten in den Buchläden hatte ihn niemand am Tag seines Verschwindens gesehen.
    Der alte Mann nahm eine Tasse Kaffee aus Erlendurs Hand entgegen und trank unter leichtem Schlürfen einen Schluck, obwohl der Kaffee nicht sonderlich heiß war. Erlendur war zu der Beerdigung seiner Frau gegangen. Sie schienen weder viele Freunde noch eine große Familie zu haben. Der andere Sohn war geschieden und kinderlos. Ein kleiner Frauenchor stand bei der Orgel. Mitten in dem Leben sind wir vom Tod umfangen …
    »Gibt es etwas Neues in unserem Fall?«, fragte der alte Mann, der die Kaffeetasse zur Hälfte geleert hatte. »Hat sich irgendetwas ergeben?«
    »Nein, leider nicht«, sagte Erlendur ein weiteres Mal. Die Besuche des alten Mannes machten ihm nichts aus, aber er fand es schlimm, nichts für ihn tun zu können, außer ein weiteres Mal zu hören, wie unglaublich, wie beispiellos das Verschwinden des Jungen gewesen war, wie so etwas überhaupt passieren konnte und wieso absolut nichts über ihn herausgefunden werden konnte.
    »Na, ihr habt ja wohl auch genügend andere Dinge zu tun«, sagte der Mann.
    »Ja, die Arbeit kommt meistens geballt, aber zwischenzeitlich ist dann manchmal auch wieder wenig los«, sagte Erlendur.
    »Tja, dann ist es wohl an der Zeit, sich wieder auf den Weg zu machen«, sagte der Mann, blieb aber noch sitzen. Es war, als stünde da noch etwas im Raum, obwohl sie alles durchgegangen waren, was eine Rolle spielte.
    »Ich setze mich mit dir in Verbindung, wenn sich etwas Neues ergibt«, sagte Erlendur, der das Zögern des Mannes spürte.
    »Ja, hm … Erlendur, ich bin mir nicht sicher, ob ich dich noch einmal belästigen werde«, sagte der alte Mann. »Vielleicht sollte man nach all dieser Zeit einfach nicht mehr daran rühren. Außerdem haben sie da was gefunden …« Er räusperte sich. »Sie haben irgendetwas Hässliches in den Lungen gefunden. Ich habe geraucht wie verrückt, das rächt sich jetzt alles. Also ich weiß nicht, wie lange … Und dann der ganze Mörtelstaub, der hat sicher auch dazu beigetragen. Also, Erlendur, ich möchte mich von dir verabschieden und dir für alles danken, für alles, was du für uns getan hast seit diesem schrecklichen Tag, als du zum ersten Mal bei uns warst. Wir waren uns so sicher, dass du uns helfen würdest, und das hast du auch getan, mein Lieber, obwohl wir keinen Schritt weitergekommen sind. Natürlich ist er tot, das ist er die ganzen Jahre gewesen. Ich glaube, innerlich haben wir das schon immer gewusst. Aber man … wir … Man darf die Hoffnung doch nicht aufgeben, oder?«
    Der alte Mann stand auf. Erlendur tat es ihm nach und öffnete ihm die Tür.
    »Nein, man darf die Hoffnung nicht aufgeben«, pflichtete er ihm bei. »Was ist denn mit deinen Lungen?«
    »Ach, man ist ja sowieso nur noch ein Wrack«, sagte der Mann, »und ständig todmüde. Und seit ich von dieser Diagnose weiß, kommt es mir
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