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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar
Autoren: Charlotte MacLeod
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Kette hing doch um meinen Hals. Sie konnte unmöglich
hineinfallen, es sei denn, ich wäre mit hineingefallen. Und ich kann dir
versichern, daß ich das nicht bin. Verdammt, ich bin nicht betrunken. Egbert
kann das bezeugen.«
    Allmählich wurde die ganze
Angelegenheit lächerlich. »Dann hol Egbert ans Telefon«, sagte Max.
    Egbert konnte jedoch zum beiderseitigen
Erstaunen die höchst ungewöhnliche Nüchternheit seines Arbeitgebers nur
bestätigen. »Es ist wirklich äußerst besorgniserregend, Mr. Max. So habe ich
ihn noch nie gesehen. Höchstens ab und zu am Morgen danach«, korrigierte er
sich, denn Egbert war ein wahrheitsliebender Mensch, sofern die Umstände es ihm
erlaubten. »Ich glaube, man könnte seinen Zustand durchaus als zutiefst
erschüttert bezeichnen.«
    »Großer Gott! So schlimm wird ihn das
doch wohl nicht getroffen haben!«
    »Wen hat was getroffen?« erkundigte
sich Max’ Frau Sarah, die gerade ins Zimmer gekommen war.
    »Deinen Onkel Jem. Egbert sagt, er sei
zutiefst erschüttert. Geben Sie mir Jem noch einmal, Egbert. Und du komm her zu
mir, angela mia.«
    Indem er den Hörer etwas weiter von
seinem Ohr weghielt und Sarah so eng wie möglich an seine Brust preßte, konnte
Max sie an dem Gespräch teilhaben lassen. Es hatte verdammt lange Jahre keine
Sarah in seinem Leben gegeben, daher wollte er sich auf keinen Fall eine
Gelegenheit zum Schmusen entgehen lassen. Theoretisch konnte er ihr jetzt
natürlich jederzeit nahe sein, doch leider zwang ihn sein verrückter Beruf viel
zu oft, von ihr getrennt zu sein.
    Trotz dieser unumgänglichen Opfer
liebte Max seine Arbeit, die darin bestand, verschwundene Kunstwerke
aufzuspüren. Auf das Verschwinden eines wertvollen Reliktes, auch wenn es sich
um einen Kabeljau handelte, reagierte er wie eine Forelle auf eine künstliche
Fliege, und wenn dieser Kabeljau es fertigbrachte, Jeremy Kelling in den für
ihn höchst ungewöhnlichen Zustand der Nüchternheit zu versetzen, bot sich Max
Bittersohn damit eine höchst willkommene Gelegenheit, gleichzeitig seinen
Familienpflichten zu genügen und seiner zweitliebsten Beschäftigung
nachzugehen.
    Auch Sarah war inzwischen neugierig
geworden. Indem sie an Max’ Sachverstand appellierte und ihren Onkel zwang,
sich wenigstens einmal in seinem Leben klar und deutlich auszudrücken, gelang
es ihr schließlich, Jem einen vollständigen und möglicherweise sogar
zutreffenden Bericht über den merkwürdigen Zwischenfall zu entlocken. Jem war
allzu bereit, alles noch ein zweites Mal zu erzählen, doch davon wollte Max
nichts wissen.
    »Okay, Jem. Das hast du mir ja nun
schon alles mitgeteilt. Wieviel genau ist diese Kette wert?«
    »Wert? Was meinst du mit wert? Sie ist
unbezahlbar, zum Henker. Als historisches Relikt — «
    »Relikt von tausend Freß- und
Saufgelagen«, warf seine Nichte bissig ein. »Hör auf, solchen Unsinn zu
verzapfen, und sag Max endlich, woraus das Ding gemacht ist.«
    »Aus massivem Silber
selbstverständlich.«
    Unter Sarahs Anleitung gelang Jem
schließlich eine vage Beschreibung. »Ich kann dir auch ein paar Fotos zeigen,
wenn dir das hilft«, fügte er hinzu, nachdem er sie mit einem Schwall
zusammenhangloser Einzelheiten und lästerlicher Ausrufe überschüttet hatte.
    »Warum zum Teufel hast du das nicht
gleich gesagt?« knurrte Max, während er mit einer Hand zärtlich Sarahs Rücken
streichelte und an all jene Dinge dachte, die er viel lieber tat, als hier zu
stehen und sich das Gejammer eines alten Schwerenöters über seinen
verschollenen Kabeljau anzuhören. »Okay, Jem. Ich komme so bald wie möglich bei
dir vorbei und schau’ mir die Bilder an.«
    »Wie bald ist das? Verdammt, Max, die
Angelegenheit ist wirklich äußerst dringend!«
    »Könntest du mir das vielleicht etwas
näher erklären? Wann trefft ihr euch denn das nächste Mal? Am ersten April?«
    »Zur Hölle mit dir!« brüllte Jem. »Ist
eurer abscheulichen Generation denn nichts mehr heilig? Wir treffen uns am
Valentinstag, am 14. Februar. Ich muß im vollen Galopp ein rosa Satinherz mit
einem Kavalleriesäbel aufspießen und in die Letzte Ruhestätte befördern. Und zu
deiner Information, du Grünschnabel, die Brüder feiern den Tag, auf den du eben
so hämisch angespielt hast, überhaupt nicht. U n s e r  Apriltreffen findet am
27. statt, am Geburtstag von Ulysses S. Grant.«
    »Das überrascht mich nicht«, erwiderte
Sarah. »Jetzt reg dich ab, Onkel Jem. Max wird sich schon etwas einfallen lassen.
Ihm fällt
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