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Kabeljau und Kaviar

Kabeljau und Kaviar

Titel: Kabeljau und Kaviar
Autoren: Charlotte MacLeod
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lächerliche
vier Gläser Chardonnay Sauvignon kaum so betrunken gemacht haben, daß er
einen derartigen Trick nicht bemerkt hätte. Außerdem war dann immer noch zu
klären, wo die Kette abgeblieben war. Ein so unhandliches Objekt, das
verteufelt schwere fünf Pfund wog und an dem ein fünfzehn Zentimeter messender
Kabeljau-Anhänger baumelte, war keine Kleinigkeit, die man ohne weiteres in der
Hosentasche verschwinden lassen konnte. Keiner der Brüder hatte sich außer
Sichtweite begeben, seit er sich die Große Kette umgehängt hatte, abgesehen
davon, daß sich der eine oder andere zwischendurch aus gewissen naheliegenden
Gründen, die mit der Zeremonie nichts zu tun hatten, kurz entschuldigt hatte.
Er selbst hatte den Raum kein einziges Mal verlassen. Man nannte ihn nicht
umsonst den Mann mit der eisernen Hose. Während Bob Cratchit weiter
diensteifrig um die Tafel eilte, wurden die Spekulationen über den Verbleib der
Großen Kette immer kühner. Jeder verdächtigte jeden des Kabeljauraubes. Die
Brüder frequentierten die Herrentoilette nur noch grüppchenweise, um
sicherzugehen, daß auch niemand den Kabeljau in seinem Hosenbund wegschaffte.
    Mrs. Cratchit wurde von jeglichem
Verdacht freigesprochen; erstens, weil es unhöflich gewesen wäre, sie zu
verdächtigen, zweitens, weil sich auf Nachfrage herausstellte, daß sie Kinder
hatte, drittens, weil sie die ganze Zeit beide Hände voll zu tun gehabt hatte,
zunächst mit der Suppenterrine und später dann mit Obed Ogham. Man erlaubte ihr
daher, ihr Weihnachtssträußchen zu nehmen und unbehelligt von dannen zu ziehen.
    Schließlich wurde eine gründliche
Durchsuchung des Raumes in Angriff genommen, wobei die Brüder auf allen vieren
herumkrochen und Laute ausstießen, die sie für Rentierwiehern hielten, mit
Ausnahme von Wouter Tolbathy, welcher der Imitation eines geflügelten Drachen
den Vorzug gab, die ihm überzeugend genug gelang. Die meisten der Anwesenden
hielten das Verschwinden der Kette für einen amüsanten Scherz und waren sicher,
daß sie beim nächsten Treffen auf irgendeine geheimnisvolle Weise wieder
auftauchen würde.
    Jeremy Kelling allerdings teilte diesen
Optimismus keineswegs. Nachdem er in sein Apartment auf Beacon Hill
zurückgekehrt war, wehrte er erst einmal die Dienste seines getreuen
Kammerdieners Egbert ab, der selbstverständlich davon ausging, daß Mr. Jem
krank sein müsse, da er von seinem abendlichen Treffen nüchtern und verstört
heimgekehrt war — statt betrunken und in aufgeräumter Stimmung. Anschließend
sandte Jeremy Kelling sofort einen Notruf an seinen frisch angeheirateten
Neffen Max Bittersohn aus.
     
     

Kapitel 2
     
     
     
     
     
     
     
    »M ax jammerte Jem, »ich habe meinen
Kabeljau verloren.«
    Auch wenn Max sich von seinem eigenen
Familienclan meilenweit entfernt hatte, hielt er doch immer noch einige seiner
traditionellen Werte hoch in Ehren. Bei den Bittersohns pflegten erwachsene
Männer keinen Kabeljau zu verlieren. Erwachsene Männer arbeiteten, auch wenn es
ihnen durchaus gestattet war, bei der Arbeit guter Dinge zu sein. Erwachsene
Männer bildeten ihren Geist durch ernsthafte Studien weiter und ihre Herzen
durch selbstlose Taten. Erwachsene Männer sorgten für ihre Frauen und Kinder,
sofern sie welche hatten, wobei letzteres auf Max noch nicht zutraf, und trugen
eine gewisse Verantwortung für ihre gesamte Mischpoke, selbst wenn zu
ihrer Familie inzwischen auch angeheiratete Onkel wie Jeremy Kelling zählten.
    Obgleich ihm völlig unverständlich war,
warum einige Verwandte seiner Frau überhaupt frei herumlaufen durften,
erinnerte sich Max seiner Pflichten und reagierte in einer Weise, die er für
angemessen hielt.
    »Ich habe einmal einen Mann gekannt,
der einen präparierten Muskalunge verloren hatte.«
    Offenbar war er damit einmal mehr
schwer ins Fettnäpfchen getreten. Jem war verärgert.
    »Verdammt noch mal, Max, ich kann daran
nichts Lustiges finden. Die Große Kette der Brüder vom Club des Geselligen
Kabeljaus ist sozusagen ein heiliges Relikt. Wie die Heuschrecke auf der
Wetterfahne von Faneuil Hall oder die Zähne von George Washington«, fügte er
hinzu, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen. »Sie ist verschwunden, kurz
nachdem ich das Ekelobjekt in die Letzte Ruhestätte geworfen habe.«
    »Zweifellos kein schlechter Zeitpunkt«,
antwortete Max. »Bist du sicher, daß sie nicht auch in der Letzten Ruhestätte
gelandet ist?«
    »Wie zum Teufel soll das passiert sein?
Die verfluchte
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