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Juliet, Naked

Juliet, Naked

Titel: Juliet, Naked
Autoren: Nick Hornby
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Annie. »Weil es auch nicht einfach ist. Darum geht so was meistens schief. Darum bist du schon tausendmal geschieden.
     Weil es nicht einfach ist.«
    Was sie eigentlich zu sagen versuchte, war etwas anderes; sie wollte sagen, dass das Unvermögen, auf irgendeine befriedigende
     Art seine Gefühle zu artikulieren, eine der ewigen Tragödien des Menschen ist. Es wäre nicht viel gewesen, und es hätte auch
     nichts geholfen, aber es wäre zumindest etwas gewesen, das die Schwere und Trauer in ihr wiedergab. Stattdessen hatte sie
     ihn angefahren, weil er ein Loser war. Es war, als hätte sie versucht, an der Klippe ihrer Gefühle einen Halt fürdie Finger zu finden und hätte sich lediglich die Fingernägel schmutzig gemacht. Tucker setzte sich im Bett auf und sah sie
     an.
    »Du solltest dich mit Duncan versöhnen«, sagte er. »Er würde dich zurücknehmen. Besonders jetzt. Du hast Material für mindestens
     neun Jahre mit ihm.«
    »Warum? Was hätte ich davon?«
    »Überhaupt nichts«, sagte Tucker. »Das wäre ja gerade der Punkt.«
    Sie versuchte es ein letztes Mal.
    »Tut mir leid. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich weiß, dass … dass Liebe einen verwandeln soll.« Nachdem sie das Wort
     benutzt hatte, spürte sie, wie sich ihre Zunge löste. »Und so versuche ich es zu sehen. Da. Peng. Ich bin verwandelt worden,
     und wie es dazu gekommen ist, ist gleichgültig. Du kannst bleiben oder gehen, und es wird trotzdem passiert sein. Darum habe
     ich versucht, dich als so was wie eine Metapher zu sehen. Aber es funktioniert nicht. Es ist eine schrecklich unangenehme
     Tatsache, dass, wenn du nicht mehr da bist, alles wieder dahin zurückrutschen wird, wo es vorher war. Ich kann nichts dagegen
     machen. Und ich muss dir sagen, dass Bücher mir bei alldem nicht viel helfen. Denn immer, wenn man etwas über Liebe liest,
     wenn jemand versucht, sie zu definieren, geht es um einen Zustand oder ein abstraktes Substantiv, und dann versuche ich dem
     zu folgen. Aber in Wirklichkeit ist Liebe … Na ja, Liebe, das bist nur du. Und wenn du weg bist, ist sie auch weg. Nichts
     Abstraktes dran.«
    »Dad.«
    Annie war verwirrt, aber Tucker wusste sofort, wer es war. Jackson stand neben dem Bett, feucht und übel riechend.
    »Was ist, Sohnemann?«
    »Ich habe gerade ins Bett gekotzt.«
    »Okay.«
    »Ich glaub, ich mag jetzt keine Schweineschwarten mehr.«
    »Du hast vielleicht ein bisschen viele gegessen. Jetzt machen wir dich erst mal sauber. Annie, hast du noch saubere Bettwäsche?«
    Während sie ihn wuschen und das Bett frisch bezogen, tat Annie, was sie konnte, um sich nicht als vom Pech verfolgt, unter
     einem Unglücksstern geboren, kurz, zum Scheitern verurteilt vorzukommen. Das Gefühl, dass sie bei allem immer Pech hatte,
     war ihr Normalzustand, trotzdem war ihr bewusst, dass man ihre gegenwärtige Misere auch ganz anders interpretieren konnte.
     Zum Beispiel: Hatte es wirklich etwas mit Pech zu tun, wenn man sich ausgerechnet in einen Amerikaner verliebte – und zwar
     einen Amerikaner, der zu allem anderen auch noch einen kleinen Sohn und ein Zuhause in Amerika hatte –, der eigentlich nur
     ein paar Tage zu Besuch war? Oder hätte jemand, der etwas intelligenter war, das früher kommen sehen? Oder noch eine andere
     Sicht der Dinge: Du schreibst auf einer obskuren Website eine Kritik über das neue Album eines Musikers, der sich seit zwanzig
     Jahren zurückgezogen hat. Bewusster Musiker liest den Text, meldet sich, kommt zu Besuch. Er ist sehr attraktiv und scheint
     dich attraktiv zu finden, und du schläfst mit ihm. (…) Konnte man da von Unglück reden? Würde jemand mit einem etwas sonnigeren
     Gemüt nicht zu dem Schluss kommen, dass in den letzten Wochen ungefähr siebzehn Wunder zusammengekommen waren? Und wenn schon.
     Sie hatte nun mal kein sonniges Gemüt. Sie würde weiter dabei bleiben, sich für die unglücklichste Frau der Welt zu halten.
    Wie passte das zu der vorangegangenen Nacht, in der sie so getan hatte, als würde sie etwas zur Empfängnisverhütung einsetzen,
     weil sie schwanger werden wollte? Wie viel Glück musste zusammenkommen, damit es klappte, bei ihrem Alter, bei seinem Alter,
     bei seinem Gesundheitszustand? Aber vielleicht war das kein Widerspruch. Sie spürte schon jetzt die Enttäuschung, die mit
     ihrer Periode einsetzen würde, und vielleicht war das der Sinn daran: Der endgültige, unanfechtbare Beweis, dass es sinnlos
     war, etwas zu versuchen, das sie glücklicher
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