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Juliet, Naked

Juliet, Naked

Titel: Juliet, Naked
Autoren: Nick Hornby
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freundlichen Frau seinen Glauben an was auch
     immer wiederherstellen, und er würde nach Hause zurückkehren und ein tolles Album aufnehmen, aber daraus wurde nichts: Der
     Tank war noch genauso leer wie vorher. Und als er gerade seinen deprimierenden Gedanken nachgeben wollte, drückte Terry Jackson
     einen Song an einer Musikbox, und man hörte die Stimme irgendeines Soulsängers, den Tucker wiedererkannte – Major Lance? Dobie
     Gray? –, und Gav und Barnesy machten plötzlich Backflips und Headspins auf dem Teppichboden des Museums.
    »Ich wette, das kannst du auch, oder, Dad?«, fragte Jackson.
    »Na klar«, sagte Tucker.
    Annie wurde von dem treuesten Freund, den das Museum hatte, mit Beschlag belegt, aber dann sah sie aus dem Augenwinkel eine
     ältere Dame, die sich neben dem Foto der vier Arbeitskollegen an ihrem freien Tag fotografieren ließ. Annie entschuldigte
     sich und ging hinüber, um sich vorzustellen.
    »Hallo, Annie-die-Museumskuratorin«, sagte die ältere Dame. »Ich bin Kathleen. Kath.«
    »Kennen Sie jemanden von diesem Foto?«
    »Das bin ich«, sagte Kath. »Ich wusste, dass ich schlechte Zähne hatte, aber nicht, dass sie so schlecht waren. Kein Wunder,
     dass sie ausgefallen sind.«
    Annie schaute auf das Foto, und dann wieder auf die alte Frau. Soweit Annie wusste, war sie jetzt fünfundsiebzig, und 1964
     musste sie dreißig gewesen sein.
    »Sie sind kaum älter geworden«, sagte Annie. »Wirklich.«
    »Ich weiß, was das heißen soll. Ich war damals alt und bin es heute noch.«
    »Kein bisschen«, sagte Annie. »Haben Sie mit den anderen noch Kontakt?«
    »Das ist meine Schwester. Sie ist verstorben. Die Burschen … sie waren auf einem Tagesausflug. Aus Nottingham, glaube ich.
     Hab sie nie wiedergesehen.«
    »Sieht aus, als hätten Sie Spaß gehabt.«
    »Das schon. Aber ich wünschte, wir hätten noch ein bisschen mehr gehabt. Falls Sie verstehen, was ich meine.«
    Annie machte ein angemessen schockiertes Gesicht.
    »Er wollte. Hatte seine Hände überall. Aber ich hab ihn mir vom Leib gehalten.«
    »Tja«, sagte Annie. »Man kann gar nichts falsch machen, wenn man nichts macht. Erst wenn man etwas macht, kommt man in Schwierigkeiten.«
    »Ist wohl wahr«, sagte Kath. »Aber was hab ich jetzt davon?«
    »Was meinen Sie?«
    »Ich meine, dass ich fünfundsiebzig bin und nie in irgendwelchen Schwierigkeiten war. Und was hab ich davon? Wollen Sie mir
     einen Orden verleihen? Sie sind doch Museumskuratorin. Schreiben Sie mal der Queen und sagen ihr das. Andernfalls hätte ich
     mit meiner Zeit auch was Besseres anfangen können, oder?«
    »Nein«, sagte Annie. »Sagen Sie das nicht.«
    »Was sollte ich denn sonst sagen?«
    Annie lächelte ausdruckslos.
    »Würden Sie mich für einen Moment entschuldigen?«, fragte sie.
    Sie machte sich auf die Suche nach Ros, die einen Stegreif-Vortrag über die Typografie von Terry Jacksons Stones-Poster hielt,
     und bat sie, den kleinen Jackson zuentführen und ihn mit Schweineschwarten vollzustopfen. Dann zog Annie Tucker in die Ecke, in der Terry Jacksons alte Busfahrscheine
     gezeigt wurden, die nicht so viel Publikumszuspruch erfuhren, wie sie gehofft hatten.
    »Und, zufrieden?«, fragte Tucker. »Scheint doch alles sehr gut zu laufen.«
    »Tucker, ich hab mich gefragt, ob, ob … Ob du interessiert wärst.«
    »An …?«
    »Oh. Tut mir leid. An mir.«
    »Ich interessiere mich doch schon für dich. Das Ob ist gar nicht nötig.«
    »Danke. Aber ich meine, äh, sexuell.«
    Das Rotwerden, das sie in den letzten Tagen einigermaßen im Griff gehabt hatte, kehrte mit ungebremster Kraft zurück; das
     Blut hatte sich ganz offensichtlich frustriert irgendwo in der Nähe ihrer Ohren gesammelt. Sie musste ihr Gesicht wirklich
     dazu bringen, etwas anderes zu machen, wenn sie einen Mann fragte, ob er mit ihr schlafen wolle. Es kam ihr so vor, als machte
     schon die Tatsache, dass sie fragte, es unwahrscheinlich, dass sie erhört wurde.
    »Aber was ist mit der Party?«
    »Ich meinte anschließend.«
    »Ich hab nur Spaß gemacht.«
    »Oh. Verstehe. Na jedenfalls, ich hab mir gesagt, bring’s mal zur Sprache. Das habe ich jetzt gemacht, und damit ist es gut.
     Danke fürs Zuhören.«
    »War mir ein Vergnügen. Und übrigens bin ich interessiert. Selbstverständlich. Falls die Antwort auf deine Frage sich nicht
     erübrigt hat.«
    »Oh. Nein. Natürlich nicht. Gut.«
    »Ich wäre schon längst über dich hergefallen, wennich nicht neulich diesen kleinen Schreck
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