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Joyland

Titel: Joyland
Autoren: Stephen King
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du es doch sagen.«
    »Quatsch natürlich.« Ich schaute auf die Uhr. »Ich muss um fünf den Bus kriegen, wenn ich um sieben den Zug nach Boston erwischen will. Ich muss los.«
    »Ach, du hast noch 'ne Menge Zeit. Wo wohnst du denn im Sommer?«
    »Darüber hab ich mir noch keine Gedanken gemacht.«
    »Dann schau doch auf dem Weg zum Bus bei Mrs. Shoplaw vorbei. In Heaven's Bay vermieten zwar auch andere Leute Zimmer an die Saisonkräfte, aber sie kann ich am ehesten empfehlen. Bei ihr sind über die Jahre jede Menge Happy Helper untergekommen. Das Haus findest du ohne Probleme – es steht gleich am Ende der Main Street am Strand. Ein großes, weitläufiges Gebäude, grau gestrichen. Über der Veranda hängt ein Schild. Ist nicht zu übersehen – es ist aus Muscheln, und es fallen dauernd welche ab. Mrs. Shoplaws Strandquartier. Sag ihr, ich hätte dich geschickt.«
    »Okay, mach ich. Vielen Dank.«
    »Wenn du dich dort einmietest, kannst du den Strand entlang hierherlaufen und dir das Benzingeld für wichtigere Dinge sparen, für deine freien Tage zum Beispiel. Es ist herrlich, den Tag mit einem Strandspaziergang anzufangen. Viel Glück, mein Junge. Ich freu mich, mit dir zusammenzuarbeiten.« Er reichte mir die Hand. Ich schlug ein und dankte ihm noch einmal.
    Da er mich schon mal auf die Idee gebracht hatte, beschloss ich, am Strand entlang in den Ort zu laufen. Dann musste ich auch nicht zwanzig Minuten auf ein Taxi warten, das ich mir eigentlich gar nicht leisten konnte. Fast hatte ich die Holztreppe erreicht, die zum Sand hinunterführte, als Lane mir noch etwas hinterherrief.
    »He, Jonesy! Willst du was wissen, was Rozzie dir nicht verrät?«
    »Klar«, sagte ich.
    »Wir haben hier 'ne Geisterbahn, die heißt Horror House. Die gute Rozzie traut sich da nicht rein. Die Springfiguren und die Folterkammer und die Stimmen vom Band sind ihr nicht geheuer. Aber eigentlich hat sie Angst davor, weil es dort spuken soll.«
    »Echt?«
    »Echt. Und sie ist nicht die Einzige. Ein halbes Dutzend Leute, die hier arbeiten, behaupten, sie hätten sie gesehen.«
    »Meinen Sie das im Ernst?« Was allerdings nur eine Frage war, die man stellte, wenn man entgeistert ist. Ihm war anzusehen, dass er es ernst meinte.
    »Ich würd dir ja die ganze Geschichte erzählen, aber meine Pause ist vorbei. Ich muss an den Devil Wagons ein paar Stromabnehmer auswechseln, und um drei kommt der Sicherheitsinspekteur und will den Thunderball begutachten. Die Jungs gehen einem wirklich auf den Senkel! Frag Emmalina Shoplaw. Sie weiß mehr über Joyland als ich. Fast könnte man sagen, dass sie es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, alles über den Park zu erfahren. Im Vergleich zu ihr bin ich ein Frischling.«
    »Das soll jetzt kein Witz sein, oder? Ein kleines Gummihuhn, das Sie allen Neuen hinwerfen?«
    »Seh ich so aus, als würde ich Witze machen?« Das tat er zwar nicht, aber seinen Spaß schien er trotzdem zu haben. Er zwinkerte mir sogar zu. »Was wäre ein anständiger Vergnügungspark ohne ein Gespenst? Vielleicht begegnest du ihr ja mal selbst. Die Tölpel kriegen sie jedenfalls nie zu sehen. Jetzt beeil dich, mein Junge. Mach das mit dem Zimmer klar, bevor du mit dem Bus zurück nach Wilmington fährst. Für den Tipp wirst du mir noch dankbar sein.«
    *
    Bei einem Namen wie Emmalina Shoplaw war es schwer, sich keine Hauswirtin mit rosigen Wangen und mächtigem Busen aus einem Roman von Charles Dickens vorzustellen, die eifrig hin und her eilte, Dinge wie Du meine Güte! sagte und Tee und Kekse servierte, während die Nebendarsteller, ein Haufen herzensguter Exzentriker, ihr beifällig dabei zuschauten; vielleicht würde sie mir sogar in die Wange kneifen, während wir über einem knisternden Feuer Kastanien rösteten.
    Allerdings entspricht die Realität nur selten unseren Erwartungen, und die Dame, die auf mein Klingeln hin öffnete, war hochgewachsen, um die fünfzig, flachbrüstig und so blass wie ein Milchglasfenster. In der einen Hand hielt sie einen alten Bootsaschenbecher, in der anderen eine glimmende Zigarette. Das mausbraune Haar hatte sie hochgesteckt, sodass es ihr in dichten Locken über die Ohren fiel. Sie sah wie eine alternde Prinzessin aus Grimms Märchen aus. Ich erklärte ihr, warum ich hier sei.
    »Sie wollen in Joyland arbeiten, ehrlich? Na, dann kommen Sie mal rein. Haben Sie irgendwelche Referenzen?«
    »Keine von irgendwelchen Vermietern – ich hab nur ein Zimmer in einem Wohnheim. Aber mein Boss in der Mensa
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