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Joyland

Titel: Joyland
Autoren: Stephen King
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starke Verlangen, mir einen Hotdog mit einer Riesenportion Chili zwischen die Kiemen zu schieben. Mir gefiel es hier. Wahrscheinlich würde sich das ändern, wenn ich nach einem arbeitsreichen Tag auch noch Toiletten schrubben oder Kotze von den Sitzen der Whirly Cups putzen musste, aber in dem Moment fand ich alles großartig.
    »Üben Sie für Ihre Show?«
    Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe auf – ganze eins sechzig, schätze ich mal. »Das ist keine Show, mein Junge.« Sie sprach es Schoh aus. »Kein Volk auf der Erde ist so mental begabt wie die Juden. Das weiß jeder.« Dann redete sie ohne Akzent weiter. »Außerdem arbeite ich lieber in Joyland, als an der Second Avenue ein Praxisschild für Handleserei aufzuhängen. Leidgeprüft oder nicht – du gefällst mir. Du strahlst good vibrations aus.«
    »Das ist einer meiner Lieblingssongs von den Beach Boys.«
    »Aber dir steht großes Leid bevor.« Sie hielt inne – einstudierte Theatralik, ohne Frage. »Und vielleicht sogar große Gefahr.«
    »Sehen Sie in meiner Zukunft eine schöne Frau mit dunklen Haaren?« Wendy war eine schöne Frau mit dunklen Haaren.
    »Nein«, sagte Rozzie, und was sie als Nächstes sagte, verschlug mir die Sprache. »Sie gehört deiner Vergangenheit an.«
    Ohh-kay.
    Ich ging um sie herum in Richtung Pup-A-Licious, wobei ich darauf achtete, sie nicht zu streifen. Sie war ein Scharlatan, daran hegte ich nicht den geringsten Zweifel, aber berühren wollte ich sie trotzdem nicht.
    Es half nichts. Sie drehte sich um und stolzierte neben mir her. »In deiner Zukunft sehe ich ein kleines Mädchen und einen kleinen Jungen. Der Junge hat einen Hund.«
    »Einen ›Happy Hound‹, jede Wette. Wahrscheinlich heißt er Howie.«
    Auch diesem Versuch, die Stimmung aufzulockern, schenkte sie keine Beachtung. »Das Mädchen trägt ein rotes Käppi und hat eine Puppe im Arm. Eines der Kinder hat das zweite Gesicht. Welches, weiß ich nicht.«
    Ich hörte ihr kaum zu. Mich beschäftigte noch immer das, was sie davor gesagt hatte, mit fast ausdrucksloser Stimme: Sie gehört deiner Vergangenheit an.
    Madame Fortuna irrte sich oft, wie ich später herausfand, aber sie schien tatsächlich über eine echte psychische Begabung zu verfügen, und an dem Tag meines Vorstellungsgesprächs landete sie einen Volltreffer nach dem anderen.
    *
    Ich bekam den Job. Mr. Dean war vor allem von meinem Erste-Hilfe-Zertifikat beeindruckt, das ich im Sommerlager der YMCA gemacht hatte, als ich sechzehn wurde. Das war der langweiligste Sommer meines Lebens gewesen. In den Jahren seither musste ich feststellen, dass Langeweile so manches für sich hat.
    Ich sagte Mr. Dean, wann ich meine Abschlussprüfungen hatte, und versprach ihm, dass ich zwei Tage später in Joyland sein würde, um einem Team zugeteilt zu werden und an den Schulungen teilzunehmen. Wir gaben uns die Hand, und er hieß mich an Bord willkommen. Ganz kurz fragte ich mich, ob er mich jetzt auffordern würde, mit ihm wie ein Happy Hound zu bellen oder etwas in der Art, aber er wünschte mir lediglich einen guten Tag und begleitete mich aus dem Büro hinaus, ein kleiner Mann mit scharfen Augen und geschmeidigem Gang. Während ich auf der betonierten Veranda vor dem Personalgebäude stand, dem Rauschen der Brandung lauschte und die feuchte Salzluft einatmete, war ich plötzlich wieder ganz aufgeregt und konnte den Sommer kaum erwarten.
    »Sie sind jetzt in der Unterhaltungsbranche tätig, junger Mann«, sagte mein neuer Boss. »Nicht etwa im Schaustellergewerbe – heute laufen die Dinge anders –, aber allzu groß ist der Unterschied nun auch wieder nicht. Wissen Sie, was das bedeutet, Mr. Jones?«
    »Nein, Sir, nicht so genau.«
    Er setzte einen ernsten Blick auf, wobei die Mundwinkel aber die Andeutung eines Grinsens umspielte. »Es bedeutet, dass die ganzen Bauerntölpel mit einem Lächeln auf dem Gesicht von hier weggehen müssen. Und falls ich jemals mitbekommen sollte, dass Sie unsere Besucher Tölpel nennen, fliegen Sie, so schnell können Sie gar nicht schauen. Ich darf das sagen, immerhin bin ich schon in dem Geschäft, seit ich mich das erste Mal rasiert habe. Und es sind alles Tölpel – sie unterscheiden sich nicht im Geringsten von den Okies und Arkies, den Rednecks aus Oklahoma oder Arkansas, die sich auf den Jahrmärkten drängten, wo ich seit dem Zweiten Weltkrieg gearbeitet habe. Die Leute, die Joyland besuchen, tragen vielleicht bessere Kleider und fahren einen Ford oder einen VW-Bus
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