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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Autoren: Thomas Mann
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überschreitend, ins Land Kenana ein.
    Ein gewaltiger Umweg für Jaakobs gewaltigen Leichenzug; er brachte die Reise auf zweimal siebzehn Tage, und das war der Grund, weshalb Joseph ihrer siebzig verlangt hatte für seinen Urlaub, – er hatte damit noch nicht genug verlangt und überschritt sogar etwas die fünfundsiebzig, die Pharao ihm aus Liebe gewährt hatte. Den weiten Umweg aber hatte er früh beschlossen und seine Absicht dem Zugführer, jenem ordnenden Feldoberst, gleich eröffnet, der sie sehr gut hieß. Er nämlich hatte besorgt, der Einfall einer solchen ägyptischen Stärke ins Land, mit viel Waffenvolk, von Gaza her, auf der Heerstraße, möchte Aufregung, Mißverständnis und Schwierigkeiten erzeugen und hatte ins Stillere ausweichenden Wegen den Vorzug gegeben. Für Josephs Gemüt aber hatte der weit ausgreifende Umweg den Sinn einer Ehrendehnung der Reise. Nicht zeit-kostspielig und mühsam genug konnte für ihn die feierliche Verbringung sein; nie waren die Strecken zu weit, durch die das stolze Ägyptenland den Vater mußte auf seinen Schultern tragen. Darum hatte er diese Dehnung des Weges gewollt und ins Werk gesetzt.
    Als sie das sodomitische Meer umgangen hatten und waren gegen den Lauf des Jardên ein wenig hinaufgezogen, kamen sie an eine Stätte, nahe am Ufer gelegen und Goren Atad genannt; da war nur eine dornenumflochtene Tenne gewesen in alter Zeit, jetzt aber war es ein bevölkerter Markt. Nebenbei, am Fluß, war ein Anger, geräumig, da breiteten sie sich aus und machten ein Lager unter dem neugierigen Zusehen der Leute vom Ort. Sieben Tage blieben sie dort und hielten ein Weinen, täglich erneuert, einen siebentägigen Klagedienst, sehr bitter und schrill, so daß, wie auch die Absicht gewesen, die Landeskinder stark davon angetan waren, besonders, da auch die Tiere Trauer dabei trugen. »Ein sehr bedeutendes Lager«, sagten die Leute mit hohen Augenbrauen, »und eine eindrucksvolle Klage von Ägypten ist dies!« Sie nannten fortan den Anger nicht anders als »Abel-Mizraim« oder »Klagewiese Ägyptens«.
    Nach dieser Ehren-Verzögerung ordnete sich der Zug aufs neue und überschritt den Jardên auf einer Furt, die von den Landeskindern zu eigenem Handel und Wandel durch versenkte Baumstämme und Steine noch wesentlich gangbarer gemacht worden war. Der Schlitten mit Jaakobs Sarggestalt war dazu vom Wagen genommen, und die zwölf Söhne trugen ihn alle an Stangen über den Fluß.
    Da waren sie im Lande und stiegen vom dampfigen Flußtal hinauf zu frischeren Höhen. Auf dem Gebirgskamm zogen sie hin die wohl unterhaltene Straße und kamen am dritten Tage vor Hebron. Umringt lag Kirjat Arba am Berghang, den viele Städter hinuntereilten, um den Aufwand zu sehen, der da mit heiliger Wanderlast in die Gegend rückte und im Tale den Plan einnahm, wo im Fels die vermauerte Höhle war, die doppelte, das uralte Erb-Begräbnis. Angelegt von der Natur, aber von Menschenhand ausgebaut und erweitert, war sie von außen nicht doppelt, sondern nur eintorig. Schlug man jedoch die Vermauerung auf, wie nun geschah, so öffnete sich ein runder, abwärts führender Schacht, von dem rechts und links mit Steinplatten verschlossene Gänge abzweigten, die in zwei Grabzellen mit kleinen Tonnengewölben führten: darum hieß die Höhle »die doppelte«. Bedenkt man aber, wer alles in diesen Bergkammern ewig zu Hause war, so erbleicht man, wie die Brüder erbleichten, als die Höhle sich vor ihnen auftat. Die Ägypter focht es nicht an, es mochte sogar manch Naserümpfen unter ihnen sein ob eines so hausbackenen Grabes. Was aber Israel war, das erbleichte.
    Schacht und Gänge waren sehr eng und niedrig, und nur zwei Leute von Jaakobs Haus, einer vorn und einer hinten, sein ältester Knecht und sein Zweitältester, und auch sie nur mit knapper Not, konnten die Mumie hinab in die Kammer bringen – ob sie sie in die rechte taten oder die linke, das ist vergessen. Könnten Staub und Gebein sich wundern, so wäre gewiß groß Wunderns gewesen in der Höhle über den von närrischer Fremde geprägten Neukömmling. So aber herrschte unbedingte Gleichgültigkeit, aus deren Moderbann sich die Träger gebückt hinwegsputeten durch den Schacht, in die süßen Lüfte des Lebens. Da standen Handwerkssklaven mit Kelle und Mörtel bereit, und im Nu war die Herberge wieder verschlossen, die keinen mehr aufnehmen sollte nach diesem.
    Verschlossen das Haus, beseitigt der Vater, – Zehn blicken starr auf den Ziegel der letzten
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