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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Autoren: Thomas Mann
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meinen Vater begraben und wiederkommen .« Mag sein, daß er dies Versprechen zuvorkommend von sich aus abgab; mag ebenso sein, daß Pharao es ihm abforderte. Der Argwohn, daß Joseph die Ausfahrt dazu benutzen könnte, nicht wiederzukehren, stand jedenfalls zwischen Herr und Diener, und es war Pharao lieb, daß er Gnade mit Vorsicht vereinen und durch schwersten ägyptischen Ehrenbehang dem Ausbleiben des Unersetzlichen vorbauen konnte.
    Der Herr der Kronen war nun auch schon der Jüngste nicht mehr; der Jahre seines Lebens waren mehr als vierzig, und dies Leben war zart und traurig. Den Tod hatte er auch schon erfahren: eine seiner Töchter, die zweite von sechsen, Meketatôn, von allen die blutärmste, war ihm mit neun Jahren gestorben, und Echnatôn, der Töchtervater, war dabei, weit mehr noch, als Neferne-fruatôn, seine Königin, in Tränen zerflossen. Er weinte viel, auch ohne den Tod, die Tränen saßen ihm überhaupt und jeden Augenblick locker, denn er war einsam und unglücklich, und die Kostbarkeit seines Daseins, die weiche Kulturpracht, in der er lebte, machte ihn gegen Einsamkeit und Unverstandensein nur immer empfindlicher. Zwar sagte er gern, daß, wer es schwer habe, es auch gut haben solle. Bei ihm aber ging das nur unter Tränen zusammen; er hatte es zu gut, um es dabei auch schwer haben zu können, und weinte viel über sich. Sein Morgenwölkchen, goldumsäumt, die Königin, und seine durchsichtigen Töchter mußten ihm immer mit feinem Batist die Tränen auf seinem schon ältlichen Knabenantlitz trocknen.
    Es war seine Freude, im Prunkhofe des herrlichen Tempels, den er zu Achet-Atôn, der einzigen Hauptstadt, seinem Vater im Himmel erbaut, diesem milden Naturfreund, den er sich ebenfalls viel weinend vorstellte, unter Hymnen-Chorgesang Blumen-Opfer darzubringen. Aber die Freude ward ihm vergällt durch das Mißtrauen in die Aufrichtigkeit seiner Höflinge, die von ihm lebten und »die Lehre« angenommen hatten, sie aber, wie jede Prüfung zeigte, nicht verstanden und ihr nicht gewachsen waren. Niemand war der Lehre von seinem unendlich fernen und dabei um jedes Mäuschen und Würmchen zärtlich besorgten Vater im Himmel, von dem die Sonnenscheibe nur ein vermittelndes Gleichnis war, und der ihm, »Echnatôn«, seinem liebsten Kinde, seines Wesens Wahrheit zuflüsterte, im Geringsten gewachsen; niemand, er verhehlte es sich nicht, wußte aus Herzensgrund etwas damit anzufangen. Dem Volke war er entfremdet und scheute die Berührung mit ihm. Mit den Glaubensmächten seines Reiches, den Tempeln, den Priesterschaften, nicht nur mit Amun, sondern auch mit den übrigen uralten und urverehrten Landesgottheiten, ausgenommen höchstens das Sonnenhaus zu On, lebte er in hoffnungslosem Zerwürfnis und hatte sich aus schmerzlichem Eifer für seine Offenbarung zu Unterdrückungsbefehlen und Anordnungen der Zerstörung – wiederum nicht nur gegen Amun-Rê, sondern auch gegen Usir, den Herrn der Westlichen, und Eset, die Mutter, gegen Anup, Chnum, Thot, Setech und sogar Ptach, den Kunstmeister, hinreißen lassen, die den Riß zwischen ihm und seinem geistig tief eingefahrenen, in allen Dingen auf Erhaltung und Treue zum Ältesten bedachten Lande vergrößerten und ihn mitten darin zu einem in königlichem Luxus abgeschlossenen Fremdling machten.
    Was Wunder, daß seine grauen, nur halb geöffneten Träumeraugen fast immer vom Weinen gerötet waren? Auch als Mai-Sachme in Josephs Auftrag vor ihm redete und ihm das Urlaubsgesuch seines Herrn im Zusammenhang mit der Nachricht vom Abscheiden Jaakobs vortrug, weinte er sofort, – er war immer im Begriffe dazu, und seine Tränen nahmen auch diesen Anlaß wahr.
    »Wie überaus traurig!« sagte er. »Er ist gestorben, der uralte Mann? Das ist ein Choc für Meine Majestät. Er hat mich besucht, ich erinnere mich, zu seinen Lebzeiten und mir keinen geringen Eindruck gemacht. In seiner Jugend war er ein Schelm, ich weiß Stückchen von ihm, mit Fellchen und Stäben, – Meine Majestät könnte noch heute Tränen darüber lachen. Nun ist seinem Leben also ein Ziel gesetzt, und mein Onkelchen, der Vorsteher von allem, was der Himmel gibt, ist verwaist? Wie unendlich traurig! Sitzt er und weint, dein Herr, mein alleiniger Freund? Ich weiß, daß ihm Tränen nicht fremd sind, daß er leicht weint, und mein Herz fliegt ihm zu dafür, denn es ist bei einem Manne immer ein gutes und liebes Zeichen. Auch als er sich seinen Brüdern zu erkennen gab mit dem Worte ›Ich
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