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Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)

Titel: Joseph und seine Brüder: Vier Romane in einem Band (Fischer Klassik Plus) (German Edition)
Autoren: Thomas Mann
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fast sondersgleichen. So ist kein König zu Grabe getragen worden, wie er wurde, der Feierliche, nach seines Sohnes Joseph Befehl und Veranstaltung.
    Dieser hatte wohl nach des Vaters Verscheiden seinem Bruder Jehuda, dem Segenserben, die ersten, vorläufigen Anordnungen überlassen; danach alsbald aber nahm er selber die Sache in seine Hand, da nur er sie besorgen konnte, und traf Verfügungen, zu denen ein rasch vereinigter Brüderrat ihn hatte ermächtigen müssen. Sie ergaben sich aus den Umständen; aus Jaakobs Gebot und Vermächtnis ergaben sie sich, und daß sie es taten, war dem Joseph von Herzen lieb. Denn der Gesonderte dachte ägyptisch, und sein brennender Wunsch, den Vater zu feiern und seiner Hülle das Beste, Kostbarste zuzuwenden, schlug ganz von selbst die Gedankengänge Ägyptens ein.
    Jaakob hatte nicht wollen im Lande der toten Götter begraben sein, sondern sich geloben lassen, daß er seinen Vätern beigesetzt würde daheim in der Höhle. Dazu bedurfte es einer weiten Verbringung, mit der Joseph es über die Maßen großartig vorhatte und die Zeit erforderte: Zeit für die Zurüstungen, Zeit für die hohe Verbringung selbst, eine Fahrt von mindestens siebzehn Tagen. Dazu mußte der Leichnam bewahrt werden, bewahrt nach der Kunst Ägyptens, gepökelt und eingemacht, und wenn der Versammelte diesen Gedanken von sich gewiesen haben würde, so hätte er die Einschärfung unterlassen sollen, daß man ihn heimtrage. Gerade aus seiner Vorschrift, ihn nicht in Ägypten zu begraben, ergab sich, daß er ägyptisch begraben wurde, prunkvoll ausgestopft und verschnurrt zur Osiris-Mumie, – was manchen verletzen mag. Aber wir haben nicht, wie Joseph, sein Sohn, vierzig Jahre in Ägypten verlebt und uns von den Säften und Gesinnungen dieses absonderlichen Landes genährt. Ihm war es eine Freude und ein Trost im Schmerz, daß das Vermächtnis des Vaters ihm erlaubte, mit der teueren Hülle nach des Landes ausgesuchtesten Ehrenbräuchen zu handeln und ihr Beständigkeit angedeihen zu lassen nach alleroberstem Kostenanschlag.
    Darum, nur eben nach Menfe zurückgekehrt in sein Haus, wo er trauerte, schickte er Männer nach Gosen, die die Brüder als seine »Ärzte« bezeichneten, aber solche nicht eigentlich waren, sondern Mumien-Techniker und Verewigungskünstler, die geschicktesten und gesuchtesten ihres Zeichens, die nicht zufällig in der Stadt des Gewickelten wohnten. Mit ihnen waren Zimmerleute und Steinmetzen, Goldschmiede und Graveure, die sogleich bei dem härenen Todeshaus eine Werkstatt eröffneten, während die »Ärzte« drinnen mit dem Leichnam taten, was die Brüder nannten: Sie salbten ihn. Aber nicht das war das rechte Wort. Mit einem krummen Eisen zogen sie ihm das Gehirn durch die Nasenlöcher heraus und füllten die Hirnschale mit Spezereien. Ein äthiopisches Messerchen, äußerst scharf, aus Obsidian, das sie elegant mit gespreizten Fingern führten, diente ihnen, die linke Seite des Bauches zu öffnen, daß sie die Eingeweide entfernten, die bestimmt waren, in besonderen Krügen aus Alabaster, mit dem Bildniskopf des Verstorbenen auf dem Deckel, verwahrt zu werden. Die leere Leibeshöhle spülten sie gründlich mit Dattelwein und taten statt des Gekröses das Beste hinein, Myrrhe und Würzrinde von den Wurzelschößlingen eines Lorbeers. Sie taten es mit Handwerksgenuß, denn der Tod war ihr Kunstgebiet, und sie hatten ihre Freude daran, wie es nun in des Mannes Leibe so viel reinlicher und appetitlicher aussah, als zur Zeit seiner Beseeltheit.
    Danach vernähten sie sorglich den Schnitt und legten den Leichnam in ein Wannenbad von Salpeterlauge für volle siebzig Tage. Während dieser Zeit feierten sie und aßen und tranken nur, wurden aber für jede Stunde bezahlt. Als die Badefrist um und der Tote gesalzen war, konnte das Wickeln beginnen, eine bedeutende Arbeit. Byssusbinden, vierhundert Ellen lang, mit Haftgummi bestrichen, endlose Leinenstreifen, von denen die feinsten dem Körper am nächsten lagen, wickelten sie um Jaakob, immer rundum, bald neben- und bald übereinander und legten zwischenein auf den verschnurrten Hals einen goldenen Kragen und auf die Brust auch ein Schmuckstück, aus flach gehämmertem Golde geschnitten: einen Geier stellte es dar mit ausgebreiteten Schwingen.
    Denn unterdessen waren die Werkmeister auch, die mit den Ärzten zusammen gekommen waren, in ihren Arbeiten fortgeschritten und reichten Schönheit zu: Schmiedebänder aus Blattgold, beschriftet mit des
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