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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl
Autoren: Marc Ritter
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sie wussten, du kommst als Erstes zu mir. Ich muss es dir sagen. Wenn sie es dir gesagt hätten, wärst du an Ort und Stelle ausgeflippt. Siehst du, wenn ich es sage, bleibst du ganz ruhig.«
    »Ruhig? Ru-hig?«, rief Hartinger durch das leere Schuhmann‘s. Das Leben spielte sich an diesem frühen Freitagabend im Juli wieder draußen auf dem Gehsteig vor der Bar oder hinten im Hofgarten ab. »Über wen sprichst du, verdammt noch mal?«
    »Gonzo, du musst doch nur eins und eins zusammenzählen, ist doch nicht so schwer. Du hast es doch gerade selbst gesagt, die Geschichte dieses Grundstücks soll nicht herauskommen. Wirft nämlich ein schlechtes Licht auf den eh schon vorbelasteten Olympiaort. Nur, mein lieber Gonzo Hartinger: Es geht hier nicht um ein paar Wochen im Februar 2018 und den Reibach, den da einige Menschen im IOC und in Garmisch und beim Fernsehen machen. Es geht um internationale Politik.«
    »Internationale Politik – wegen eines Grundstücks in Garmisch? Und so was kommt von dir, der du sonst immer meinst, die Deppen sitzen dort draußen auf den Bäumen und blasen zur Brunftzeit in ihre Tuba?«
    »Ich hab‘s auch erst lustig gefunden. Aber der, den ich zum Frühstück getroffen hab, ist einer aus dem Innenministerium«, erklärte Weißhaupt. »Der sagt, es gäbe da draußen einen Scheich, der wolle das halbe Tal kaufen. Und man hilft ihm dabei, denn der Mann hat eine strategische Bedeutung. Da reden der Ami und der Russe mit, und wir sitzen mittendrin.«
    »Ihr spinnts doch, ihr alten Männer. Spielt ihr wieder ein bissl Kalten Krieg?«
    »Den brauchen wir nicht zu spielen, weil wir mitten in einem warmen sitzen. Unsere Sicherheit wird am Hindukusch verteidigt, hat mal einer gesagt. Übrigens von den bayerischen Gebirgssoldaten. Und unsere Verbündeten sitzen am Golf. Das sind dir, die uns warnen, bevor bei uns die Bombe hochgeht. Sie können‘s auch lassen. Und daher sind wir sehr, sehr nett zu ihnen, sagt mein Mann vom Innenministerium.« Weißhaupt schaute sich immer wieder nach rechts und links um, während er Karl-Heinz Hartinger einweihte.
    »Und jetzt bin ich gespannt, mit wem du beim Mittagessen warst. James Bond? Mata Hari?«
    »Bingo, mein junger Freund. Mein Mittagstermin hat ein wenig südlich von München stattgefunden. Um genau zu sein: Pullach.«
    »Oh, Spione wie wir«, spottete Hartinger.
    »Und wehe, du erzählst auch nur einem toten Goldfisch ein Sterbenswort davon, Gonzo Hartinger. Also der BND ist ebenfalls ganz versessen darauf, dass dieser Scheich in Garmisch-Partenkirchen sein Sachl bekommt, wie ihr dazu sagen würdet. Allerdings nicht das ganze halbe Tal. Denn die eine Hälfte wollen sie den Chinesen geben. Denn die haben sich ebenfalls in euer goldenes Landl verliebt. Und unsere weise Regierung in Berlin und mit ihr die Freunde in Ost und vor allem West wollen auch die Chinesen als glückliche Menschen wissen. Und daher werden die sicher bekommen, was sie wollen.«
    »Das hört sich so absurd an, dass es wahr sein muss«, seufzte Hartinger. Er lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf.
    »Wieso absurd? Erklärt sich doch von selbst. Garmisch-Partenkirchen hat eine tolle jahrtausendealte Geschichte. Hat ein einmaliges Bergpanorama. Wird vielleicht Olympiastadt. Liegt anderthalb Fahrstunden vom Münchner und eine Fahrstunde vom Innsbrucker Flughafen entfernt, und notfalls ist man in einer Stunde in Großhadern. Mit dem Heli ist das ein Katzensprung. Der Ort ist sicher, sauber, gut erschlossen und das Krankenhaus längst nicht mehr so schlecht wie sein Ruf. Da bekommt ihr jetzt noch ein paar Prada – und Gucci-Läden, ein paar anständige Hotels und Kneipen und einen ordentlichen Puff, und fertig ist das Luxustal. St. Moritz hat nur den eigenen Flughafen als Wettbewerbsvorteil. Und darüber kann man ja reden. Gibt es nicht am Autobahnende diesen Segelflugplatz? Mehr als eine Piste auf einer Wiese ist St. Moritz International auch nicht, ehrlich gesagt«, wusste Weißhaupt zu berichten; er war schließlich in den letzten dreißig Jahren oft genug im Tross von Gunter Sachs und Konsorten auf Europas höchstgelegenem Flughafen in Samedan gelandet.
    »Du willst also sagen, dass unser schönes Landl«, Hartinger meinte, seinen Bürgermeister Hans W. Meier aus sich sprechen zu hören, »als Spielmasse herhalten soll für die Beziehungen unserer Regierung zu den Arabern und Chinesen?«
    »Hast du im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst? Dieses euer schönes Landl«, Weißhaupt
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