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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl
Autoren: Marc Ritter
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Onkel Albert. Der hat sich zwei Tage lang gezielt in die Archive gebohrt. Ergebnisse hat er mir vorhin durchgegeben. Abt Gregorius wurde 1923 als Gregor Leinthaler in Garmisch-Partenkirchen geboren. Er wurde zur Adoption freigegeben und wuchs in Pflegefamilien in ganz Bayern auf. War damals ungewöhnlich. Waisen und Adoptierte blieben meist im Ort, aber Gregor wurde regelrecht rumgereicht. Mit zwölf ist er im Kloster Eggenfelden angekommen und dort später Franziskaner geworden.«
    »Und warum wurde er von zu Hause weggeschickt?«, fragte Weißhaupt.
    »Er war das Produkt einer Mesalliance. Seine Mutter, Agnes Leinthaler, war Krankenschwester am damaligen Garmischer Krankenhaus, sein Vater ein gewisser Josef Wagner. Und das ist jener Josef Wagner, dem das Grundstück gehörte, das der Großvater des Max Huber eingesackt hat. 1935 war Josef Wagner einer der Menschen, die auf dem Naziverzeichnis der Gebrechlichen, Blinden, Taubstummen und Blöden landeten, denn er war von Geburt an blind. Wurde zwangssterilisiert und nach einigen Jahren ins Bezirkskrankenhaus nach Haar gebracht, wo sich seine Spur verliert. Aber vorher hat er in Garmisch der jungen Krankenschwester ein Kind gemacht.«
    »Der Vater wird in Haar euthanasiert, und der Sohn, der ihn nie gekannt hat, kommt ins Kloster«, rekapitulierte Weißhaupt.
    »Gregorius wusste vermutlich über siebzig Jahre lang nichts von dem Grundstück. Er wusste aber aus seiner Geburtsurkunde, wo er ursprünglich herkam. Wahrscheinlich ist er deshalb später in das Kloster St. Anton nach Garmisch-Partenkirchen übergetreten. Onkel Albert sagt, die Mutter sei kurz nach dem Krieg gestorben, weitere Verwandte gab es nicht. Erst Bruder Engelbert hat wohl die ganze Geschichte ans Licht gebracht.«
    »Oder Gregorius hat Engelbert darauf angesetzt, falls er schon früher draufgekommen ist oder zumindest eine Ahnung hatte«, warf Kurt Weißhaupt ein.
    »Möglich. Beide können wir nicht mehr fragen. Sicher will einer wissen, warum er als Kind von den Eltern weggekommen ist. Und am Ende hat er es sicher gewusst. Und er wollte, dass es rauskommt. Sonst hätte er mir nicht Engelberts Rechner gegeben.«
    Der Zeitungsverkäufer kam mit den Abendausgaben an ihren Tisch. Das Thema »Mord am Berg-Mönch« war auf allen Titelseiten präsent, und das angebliche Beziehungsdrama wurde in unterschiedlichen Ausprägungen kolportiert. Die Bild versprach sensationelle Fotos im Innenteil, die vorn ganz groß angepriesen wurden: »Eifersüchtiger Mönchsmörder stirbt vor Kameras der Bild«, stand formatfüllend neben dem roten Logo.
    Hartinger gab dem Verkäufer fünf Euro in die Hand und nahm sich von jeder Zeitung ein Exemplar. Er schlug als Erstes die Bild auf.
    Auf Seite drei war in einer ganzen Fotoserie zu sehen, wie ein Mann durch den Bergwald Purzelbäume schlug, bis er in einer Schlucht verschwand. Darunter waren Bilder der Partnachklamm und Grafiken, die die ungeheuren Wasserkräfte darin erläuterten.
    »Da muss es mehr Fotos geben«, war Hartinger überzeugt. »Warum drucken die nur die, wie der Mann den Hang runterrollt, und nicht die, die zeigen, wie er ins Rollen gebracht wurde?«
    Kurt Weißhaupt legte wieder seine Hand auf die Hartingers. »Gonzo, jetzt ganz ehrlich, ich glaub, das mit deiner großen Geschichte, das wird nichts.«
    »Ich muss sie nur noch schreiben. Der LKA-Schneider hat mich zwei Tage lang vernommen, da hat sich auch mir einiges aufgetan. Ich kenn die ganze Geschichte. Vom Bürgermeister seinem Snow Village. Von Veit Grubers hochtrabenden Plänen für ein spirituelles Ressort. Die lass ich sauber hochgehen. Diesmal schreib ich unter meinem Klarnamen. Ich werde wieder bei den Großen mitmischen und keine Berufsschulklassen und Spendenscheckübergaben in Garmisch mehr fotografieren und betexten!«
    »Hör mir zu, ich war heute früh mit jemandem frühstücken, und zu Mittag gegessen habe ich mit jemand anderem. Leute, die du nicht kennst. Und auch nicht kennen willst. Vor allem wollen sie dich nicht kennen.« Weißhaupt sprach mit beinahe provokanter Langsamkeit, als müsse er einem Wahnsinnigen die Zwangsjacke als größtes Luxusgeschenk verkaufen.
    »Sie werden mich kennenlernen. Sie werden meine Artikel lesen, und dann werden sich manche umschauen.«
    »Da liegt das Problem, Karl-Heinz. Du hast es hier ausnahmsweise mit den Falschen zu tun. Mit Leuten, die mächtiger sind als du. Viel mächtiger. Deswegen haben sie mich heute schon zweimal zum Essen eingeladen. Weil
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