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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl
Autoren: Marc Ritter
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nachdem er sich durch das Menü mit Kompass, Höhenmesser, Barometer und Kalender gedrückt hatte. Dieses Getippe hatte gefühlte zwanzig Sekunden gedauert.
    Karl-Heinz Hartinger, zweiundvierzig, ehemals Polizeireporter in München, nach gescheiterter erster Existenz zurück auf Los gekehrt in seinen Heimatort Garmisch-Partenkirchen, um ein gesünderer, leichterer, anderer, ja besserer Mensch zu werden, fand knapp dreieinhalb Wochen nach seiner Ankunft im Olympiaort unter der Zugspitze am Dienstag, dem 27. Juli 2010, um 17 Uhr 34 Minuten und 24 Sekunden, während er einen gemäßigten Hügellauf absolvierte, auf der Anhöhe, die sie im Tal Josefibichl nannten, einen strangulierten Mönch.
    Ganz genau so hatte er sich das nicht vorgestellt.
    »Hartinger, ich glaub‘s nicht.«
    »Kannst wie früher Gonzo sagen.«
    »Früher war früher. Jetzt ist jetzt. Heute bin ich der Polizeichef von Garmisch-Partenkirchen. Und du . . . du bist. . .«
    »Sag‘s nur, Bernbacher. Jetzt bin ich . . .?«
    »Na ja, ich mein halt, Hartinger, ich mein, Gonzo, jetzt bist du halt . . .«
    Bevor Bernbacher ewig nach den geeigneten Worten suchen musste, fasste Hartinger seinen Ruf selbst zusammen: ». . . eine gescheiterte Gestalt, die hier nichts mehr zu suchen hat?«
    »Das sowieso.«
    »Sonst noch was, Bernbacher?« Hartinger wollte es genau wissen.
    »Na ja, in Anbetracht der Sachlage . . . unter Berücksichtigung der Fakten . . . bei Würdigung der Beweise . . . bist du . . . sind Sie unser Hauptverdächtiger, Herr Hartinger.«
    Je offizieller sein alter Schulkamerad wurde, desto mehr musste Hartinger sich beherrschen. »Ja, spinnst jetzt komplett, Bernbacher? Sei bloß froh, dass du das in der Einsamkeit deines Dienst-Audis zu mir sagst. Meinst, ich komm hierher nach zweiundzwanzig Jahren, und als Erstes renn ich in den Wald und bring einen Mönch um? Sonst was? Meinst, ich hab nichts Besseres zu tun?«
    Der Hellste war der Bernbacher Ludwig nie gewesen, das wussten im Ort, wie die Bewohner der Doppelgemeinde Garmisch-Partenkirchen ihre zwischen Stadt und Dorf unentschiedene Siedlung nannten, im Ort wussten das alle. Wie der Polizeichef werden konnte . . .
    Na ja, viel hatten die ja auch nicht zu tun, versteckten sich den ganzen Tag im Bullenkloster gegenüber dem Friedhof. Ab und zu wurd‘s ihnen dort drin zu langweilig, dann fielen sie aus und sperrten die Bahnhofsunterführung, um Alkoholsünder dingfest zu machen. So war das zumindest, als der Hartinger noch zu ebendiesen gehörte.
    Wahrscheinlich überließen sie das aber mittlerweile den Spezialkräften aus Weilheim, wie sie das Strafzettelschreiben auch an die kommunalen Kräfte abgegeben hatten und das Suchen nach illegalen Einwanderern an die Schleierfahndung der Bundespolizei. Sie hockten also Tag und Nacht und Woche um Monat zwischen Mercedes – und Volkswagenniederlassung mit Blick auf den Partenkirchner Friedhof ihre Zeit ab, schauten sich ihr finales Ruheplatzerl schon einmal an (falls sie nicht aus Garmisch stammten und in die Erde des anderen Ortsteils kämen) und rührten derweil Nescafe in heißes Wasser. Und auf einmal sollten sie sich um einen Mord kümmern. Oder um etwas, was verdammt nach einem Mord aussah.
    Zumindest so lange, bis in einer Stunde die Spurensicherer aus Weilheim oder gleich die Burschen vom LKA aus München anrückten. Klar, dass man da die Gelegenheit beim Schopf packen und den Herren Weilheimern und LKA-Spezis einen fertig verhafteten, überführten, geständigen Täter präsentieren wollte. Sonst konnte man sich ja kaum mal profilieren, stimmt‘s, Herr Bernbacher? Die Behauptung »Wir haben wie in jedem Jahr die Verkehrssituation rund um das Neujahrsskispringen wieder eins a im Griff gehabt« reicht für den nächsten Stern natürlich nicht aus. Aber nicht mit dem Hartinger, lieber Bernbacher, da musst du deinen Bullenschädel schon ein bissl mehr anstrengen, dachte Hartinger.
    »Schau her, Bernbacher, ist doch ein Schmarrn.« Hartinger versuchte es auf die sanfte Tour und redete mit Bernbacher wie mit einem Kind. »Und das weißt du selber am besten. Ich bin natürlich kein Hauptverdächtiger, weil ich nicht mal ein Verdächtiger bin. Ich bin nicht mal ein Augenzeuge, sondern nur der Zeuge, der den Toten zufälligerweise beim Joggen gefunden hat. Und wenn du magst, sag ich dir auch genau, warum ich als Verdächtiger von Haus aus ausscheiden muss.« Hartinger versuchte ruhig und dabei nicht arrogant zu wirken. Vergeblich.
    »Da bin ich
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