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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl
Autoren: Marc Ritter
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machte den Politiker-Singsang originalgetreu nach, »ist doch seit fast hundert Jahren Spielmasse der internationalen Politik. Der Hitler hat das mit Olympia ja nicht so ausgeschlachtet, weil er so eine Sportskanone war. Und nach dem Krieg durften die Amis sich da richtig austoben bei euch. Die haben euch doch als Erste annektiert und als Letzte wieder freigelassen. Die sind ja heute noch mit ihrem alpinen Riesenhotel da draußen niedergelassen, in dem sie die Afghanistan – und Irakkämpfer wieder aufpäppeln. In dem Riesenkasten bringst du drei Alpenfestungen unter, wenn‘s sein muss.« Kurt Weißhaupt hatte seine Hausaufgaben gemacht.
    »Stimmt, da gibt‘s da draußen dieses Edelweiss Resort. Amis, Araber, Chinesen – wollen alle unser Werdenfelser Land? Mit eigenen Liegenschaften? Da wird ja Disneyland ein Jahrmarkt dagegen«, schwante es Hartinger.
    »Ein Jahrmarkt der Eitelkeiten. Nur nicht zwischen den Besuchern, sondern zwischen den Nationen und Potentaten, die den Jahrmarkt aufbauen und betreiben. Ein erstens lukrativer und zweitens aber strategisch diffiziler Jahrmarkt. Wenn drei sich da niederlassen, muss das schon ausgewogen zugehen, und jeder muss sein Platzerl bekommen. Und damit das geschieht, steht der Talkessel, wie‘s scheint, seit Längerem unter Beobachtung. Denn die wollen natürlich nicht irgendwelchen ehrgeizigen Bürgermeistern und verzweifelten Hoteliers und Grundstücksbesitzern die Entwicklung in die Hand geben. Das muss alles oben geplant werden, wo da wer seine Baustelle bekommt.«
    Hartinger gingen plötzlich die Augen auf. Natürlich, dieser Schneider hatte da frühmorgens in Mittergraseck auf der Wiese dieses Satellitentelefon gehabt. Der normale Mobilfunkempfang war zwar oft schlecht in den Bergen, aber ob ein Satellitentelefon zur Standardausstattung eines LKA-Ermittlers gehörte, bezweifelte er doch sehr. Und nun wurde ihm auch mulmig bei dem Gedanken daran, dass er während seiner Flucht dieses arabische BlackBerry-Handy benutzt hatte, das der Leibwächter des Scheichs angeblich bei Abt Gregorius vergessen hatte. Konnte es sein, dass dieses Gerät ständig seinen Aufenthaltsort verraten hatte? Hatte ihn Schneider so finden können? Wenn Araber und BND unter einer Decke steckten, war das durchaus möglich, ja sogar wahrscheinlich.
    Siedend heiß fiel ihm ein, dass er in Bad Tölz diesem Mann in dem Internetcafe den Rechner mit nach hinten in seine Werkstatt gegeben hatte, um das Passwort zu knacken. War der vielleicht auch. . . ?
    »Wenn ich das alles ernst nehme«, sagte er wie zu sich selbst, »dann wird mir auch klar, warum ich in der Zeitung nur ausgewählte Bilder von den Ereignissen an der Partnachklamm zu sehen bekomme. Der Max Huber als Mörder, der sich leider der Verhaftung und den darauf folgenden Befragungen durch Verschwinden seines Körpers in der Klamm entzieht, kommt denen natürlich gerade recht. Und ein Abt, der als letzter Zeuge einfach ein selbstbestimmtes Sterbchen macht. . .«
    ». . . und ein Onkel Albert, der seine Beamtenpension nicht verlieren möchte, und ein Karl-Heinz Hartinger, dem sowieso kein Mensch in dieser Sache glauben wird und der weiß, dass sie wissen, wo sein Sohn lebt«, ergänzte Kurt Weißhaupt, dann wandte er sich wieder seinem Fernsehteller zu.
    Karl-Heinz Hartinger sah seinen väterlichen Freund lange an, während der aß. Hatte Weißhaupt mit seiner letzten Bemerkung einfach nur die Lage analysiert, oder war er der instruierte Überbringer einer versteckten Warnung aus Pullach? Hartinger wusste nicht mehr, was er wem glauben sollte. Weißhaupts Verbindungen zu guten und besten Quellen waren in vielen Jahrzehnten gewachsen. In beiden Metiers, dem der Journaille wie dem der Spionage, arbeitete man zuweilen mit ähnlichen Mitteln, wenn auch mit anderen Konsequenzen. Unwahrscheinlich, dass man sich da nicht dann und wann über den Weg lief und sich auch gegenseitig half, ausnutzte oder instrumentalisierte.
    Hartinger hatte genug. Der Schumann‘s-Abend, der eben erst begonnen hatte, machte ihm bereits jetzt, gegen sieben Uhr, keinen Spaß mehr. Er trank das Alkoholfreie aus und stellte das Glas auf dem weißen Deckel mit dem schwarzen Schumann‘s-Schriftzug ab. »Kurt, ich muss heute noch ein paar Kilometer laufen. Und morgen stehen wichtige Termine an. Ein Autohaus in Farchant wird eröffnet. Ein Friseur in Grainau hat Dreißigjähriges. Und die Garmischer Festwoche geht los: Messe, Trachtenumzug, Bierzelt, Schlägereien. Du
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