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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl
Autoren: Marc Ritter
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und hatte bei einem Pils auf sein Hacksteak mit Kartoffelsalat gewartet, das einer der jüngeren Barmänner gerade vor ihm platzierte.
    »Mensch, Kurt«, begrüßte Hartinger seinen Exchef. »Gut, dass du nicht mehr mit dem Redaktionspaternoster fahren musst. Der würde bei deiner Kalorienaufnahme bald ungebremst vom vierten Stock in den Keller durchrauschen.«
    So, als wären seit Hartingers Abgang nicht mehrere Monate vergangen, in denen sie kein einziges Wort miteinander gewechselt hatten, sondern als hätten sie an diesem Tag erst in der großen Konferenz der Zeitung das letzte Mal zusammengesessen, erwiderte Weißhaupt, ohne von seinem Teller aufzublicken: »Du schon wieder. Ich dachte, dich wären wir los, Mister Universum. Hat sich unser geschätzter Verlag jetzt tatsächlich ein Fitnessprogramm für übergewichtige Pensionäre einfallen lassen und dich wieder nach München geholt? Muss sagen, wenn ich dich sehe, vergeht mir der Hunger.«
    »Macht nichts, bleibt mehr für mich.« Hartinger hatte sich Weißhaupt bereits gegenübergesetzt und nahm vom Gedeck des leeren Platzes neben Weißhaupt die Gabel, mit der er sofort in das dampfende Hacksteak stach. »Erwartest noch jemanden?«
    »Manchmal muss man nicht warten, man wird gefunden«, seufzte Weißhaupt und begann seinerseits mit der Mahlzeit. »Im Ernst«, fuhr er nach dem ersten Bissen fort und schmatzte seinem Gegenüber ins Gesicht, »so schnell habe ich nicht mit dir gerechnet. Eigentlich hab ich erwartet, dass das Nächste, was ich von dir höre, das Scheppern des Eisenkranzes ist, den du mir ins Grab hinterherschmeißt, Gonzo.«
    »Manchmal muss man auch die dunkelste Vergangenheit ruhen lassen. Ich bin euch – stell dir vor: gerade erst seit heute – nicht mehr böse, dass ihr mich rausgeschmissen habt. Und du konntest ja eh nichts dafür, und mal abgesehen davon, dass du nicht sofort solidarisch mit mir gekündigt hast, hab ich dir nichts vorzuwerfen. Und bei einem, der kurz darauf in den wohlverdienten Ruhestand geht, ist das ja auch nicht zu erwarten.«
    »Ach, ich hätte schon viel früher gehen sollen, Hartinger. Hätte nicht mehr in den neuen Büroturm an der Autobahn nach Passau mit umziehen sollen. Hast du noch mitbekommen, wie es den Redaktionsmamis auf der windumtosten Plattform vorm Haupteingang bei einem ordentlichen Frühjahrsföhn die Kleinen aus der Hand bläst, wenn sie die aus dem Betriebskindergarten holen? Landen dann an der Glasfront des Betriebsrestaurants. Mensch, Hartinger, früher hießen die Mamis noch Schnecken, Eulen oder Tanten, der Betriebskindergarten war das Praktikantenzimmer und das Betriebsrestaurant schlicht und einfach die gute alte SZ-Kantine mit dem schönsten Blick auf unsere Liebfrauenkirche. Weißt ja, Hartinger: Ich bin ein Auslaufmodell, glaub noch an Recherche zu Fuß. Deshalb hab ich da draußen in dem modernen Vierkantbolzen nichts mehr verloren.«
    Weißhaupts generationsbedingten Chauvinismus zu geißeln hatte Hartinger jetzt nicht die Muße. Normalerweise hätte er eine mindestens zwei Pils lange Debatte über die frevelhafte Ungleichbehandlung von Frauen auch bei scheinbar liberalen Zeitungsverlagen eingeläutet. Bei »Recherche zu Fuß« musste Hartinger allerdings innerlich lachen, denn Weißhaupt war unangefochtener Kurzstreckenweltmeister im Taxi; öffentliche Verkehrsmittel waren unter seiner Würde, und seine Kraft hatte er schon immer für die Zeit nach der Pensionierung geschont.
    Hartinger nahm die nachdenkliche Pause nach Weißhaupts Tirade auf moderne Zeiten zum Anlass, das Vorgeplänkel zu beenden und zum Thema zu kommen: »Du musst mir helfen.«
    »Mit einer Recherche?« Weißhaupt sah Hartinger mit hochgezogenen Brauen an.
    »Ja, mit einer Recherche, mit Informationen, mit allem, was du weißt und kannst.« Hartinger fixierte die Augen Weißhaupts. »Ein Mönch ist tot. Ich habe ihn gefunden. Wenn sie keinen anderen haben, werden sie es mir anhängen.«
    Der Abend begann Kurt Weißhaupt Spaß zu machen. Erst kam sein alter Zögling – sein gefallener Zögling, der ihn enttäuscht hatte, aber immerhin – in sein Wohnzimmer und erklärte den Krieg für beendet (auch wenn er sich das nicht anmerken ließ, aber das war an sich schon eine sehr gute Nachricht), und nun wurde auch noch eine Story daraus, und sein bester Mann steckte mittendrin.
    Weißhaupt wurde vom Jagdfieber gepackt wie ein alter Eskimo, an dessen Iglu ein Eisbär vorbeischlenderte. »Kannst du mir das bitte ausdeutschen,
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