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Josefibichl

Josefibichl

Titel: Josefibichl
Autoren: Marc Ritter
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auch die Spurenlage. Grobstollige Wanderschuhe, Damenschuhe, Kinderschuhabdrücke – einfach die komplette Auswahl. Zur Leiche: keine Schleifspuren, scheint also direkt dort zu Tode gekommen zu sein. Wir wissen aber sicherlich mehr, sobald uns der Gerichtsmediziner, der derzeit noch oben ist, seinen Bericht liefern kann. Ansonsten: viel Müll, Papiertaschentücher, Schokoriegelpapier, das Übliche in der schönen Natur. Müssen wir erst im Labor auswerten.«
    »Mit anderen Worten: viel nichts«, grummelte Schneider den Kollegen an. Der hielt es für zeit – und nervenschonender, mit nicht mehr als einem vieldeutigen Heben der Augenbrauen auf diesen Einwurf zu antworten.
    »Hat sonst noch jemand etwas Erhellendes beizutragen?« Schneider richtete diese Frage direkt an die auf der rechten Seite des Tisches versammelten Garmisch-Partenkirchner Kollegen.
    »Mei, es wäre vielleicht für die Anwesenden interessant, dass im Franziskanerkloster St. Anton ein Mönch abgeht.« Alle Augen richteten sich schlagartig auf Bernbachers jungen Kollegen, den Polizeiobermeister Paul Grasegger. In einem Anflug von Selbstverantwortung hatte er nach der Rückkehr vom Josefibichl im von dort nur wenige Hundert Meter Luftlinie entfernten St. Anton angerufen. »Der Abt Gregorius sagt, dass der junge Mitbruder Engelbert gegen ein Uhr am Nachmittag St. Anton verlassen hat. Gibt Geigenstunden im Ort. Um sechs Uhr zur Vesper ist er nicht aufgetaucht. Gregorius wollte sowieso bei uns anrufen, weil: vollkommen unnormal, dass der Engelbert aushäusig bleibt.«
    Grasegger beendete seinen kurzen Bericht, während sein Chef Bernbacher und die anderen Uniformierten äußerst selbstzufriedene Mienen aufsetzten. Schneider nagelte ihn mit einem durchdringenden Blick auf dem Besprechungsstuhl fest. Fast eine Minute starrte er den nur wenig jüngeren Uniformierten an. Im Raum war nichts als der draußen an der Polizeiinspektion vorbeirauschende Verkehr der B 2 zu hören.
    Schneider wartete so lange, bis er das Augenduell mit Grasegger gewonnen hatte und dieser den Blick senkte. Dann sagte er so ruhig, wie er konnte: »Wenn Sie mir das nächste Mal eine so wichtige Information vorenthalten, statt unverzüglich Meldung zu machen, werden Sie sich wünschen, die nächsten zwei Jahre Knöllchen schreiben zu dürfen. Ich stecke Sie dann nämlich als Instruktor in die Kinderverkehrsschule. Das hat noch jedem renitenten Jungspund Disziplin beigebracht.« Und zu Bernbacher: »Hätten Sie die Liebenswürdigkeit, mir jetzt, nachdem ich dankenswerterweise von der möglichen Identität des Toten in Kenntnis gesetzt wurde, auch noch den Zeugen Hartinger vorzustellen? Ich wäre Ihnen wirklich zu großem Dank verpflichtet.«
    Die Selbstzufriedenheit wich schlagartig aus Bernbachers Gesicht, und die Erinnerung an seinen Fehler ließ seine vom jahrzehntelangen Biergenuss dauergeröteten Apfelbäckchen ebenso erblassen wie die Tatsache, dass die Kollegen, die er vor über einer Stunde losgeschickt hatte, um diesen Fehler wieder wettzumachen, immer noch nicht zurück durch das große Eisentor der Polizeiinspektion gerollt waren.
    »Zeuge Hartinger, jawoll!«, antwortete er, dem TV-Wachtmeister aus dem Königlich Bayerischen Amtsgericht nicht ganz unähnlich, wie Claudia Schmidtheinrich amüsiert zur Kenntnis nahm. Dann stürzte er aus dem Besprechungsraum, um in der Funkzentrale nach seinem Suchtrupp zu plärren.
    »Loisach vier, melden!«, blaffte er höchstpersönlich in das Mikro, den wachhabenden Funker unsanft zur Seite schubsend. Und nachdem sich eine halbe Minute nichts tat: »Loisach vier – melden, sofort!« Weitere sehr zähe dreißig Sekunden vergingen: »Loisach vier – ja, zäfix, wo steckts ihr denn?« Zorn und Verzweiflung brachten seine Stimme an den Rand des Überschlags in die übernächste Oktave.
    Die Besatzung von Loisach vier hatte ganze Arbeit geleistet. Erst einmal hatten die Polizeiobermeister Janine Wagner und Maik Oberbrück versucht, den Zeugen Hartinger in seiner Wohnung in der Dreitorspitzstraße anzutreffen. Während seine Kollegin mit dem Oberpfälzer Dialekt lautstark mit der tauben oberbayerischen Vermieterin diskutierte, was Oberbrück aufgrund seines eigenen obersächsischen Sprachhintergrunds erst gar nicht versucht hatte, schlich er sich ums Haus. Nach Erklimmen eines Holzstapels und des Garagendachs stellte er fest, dass die beiden Dachfenster des Anbaus, die zum Zimmer des Untermieters gehören mussten, dunkel und geschlossen waren.
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