Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jones, Susanna

Jones, Susanna

Titel: Jones, Susanna
Autoren: Wo die Erde bebt
Vom Netzwerk:
vergessen hatte, ihr zu sagen.»
    «Dann haben Sie also noch einmal mit ihr gesprochen?»
    «Nein, ich habe sie nicht mehr gefunden.»
    «Sie gingen davon aus, dass sie zum Bahnhof wollte?»
    «Ja. Ich weiß nicht, wohin sie sonst hätte gegangen sein können. Ich glaube nicht, dass sie sich in meiner Gegend sonderlich gut auskannte.»
    «Der Weg von Ihrer Wohnung zum Bahnhof ist nicht zu verfehlen, nicht wahr? Und die Straßen sind nachts gut beleuchtet.»
    «Das stimmt, aber ich habe sie nicht gefunden. Ich weiß nicht, wo sie hingegangen ist.»
    «Würden Sie mir schildern, welcher Art das Gespräch war, das Sie an Ihrer Wohnungstür geführt haben?» Ich schüttle den Kopf.
    «Sie können sich nicht mehr daran erinnern?» «Doch.»
    «Dann beantworten Sie bitte meine Frage.» «Nein.»
    «Ihre Nachbarin hat angegeben, Sie seien wütend gewesen. Sie hätten Bridges-san angeschrien.» «Ich schreie nicht.» «Sie waren nicht wütend?» «Ich war wütend.»
    «Ihre Nachbarin hat gesagt, Sie schienen etwas bei sich zu haben, etwas wie ein Bündel.»
    Ich schnaube. «Wer ist diese Nachbarin? Miss Marple?» Ich weiß sehr wohl, dass es meine staubsaugende Nachbarin von nebenan war. Sie hat auf mich von jeher den Eindruck gemacht, eine lebhafte Phantasie zu haben. Sie staubsaugt jeden Tag mehrere Stunden lang aggressiv, und manchmal auch mitten in der Nacht. Ihr müssen ein paar wüste Ideen im Kopf herumgeistern. Im Übrigen habe ich außer ihr keine eigentlichen Nachbarn. Über der Tankstelle gibt es nur zwei Wohnungen, und eine davon ist meine. Es ist wahrscheinlich schade, dass wir uns nie angefreundet haben, aber jetzt ist es dafür zu spät. Er verzieht keine Miene. «Ich hatte nichts bei mir. Rein gar nichts.» Er starrt mich an. «Denken Sie gründlich nach. Bitte.» Aus Höflichkeit denke ich angestrengt nach, aber ich bin müde.
    «Wie ich Ihnen schon gesagt habe, war ich dabei, meine Wäsche abzuhängen. Kann sein, dass ich, als ich an die Tür
    ging, irgendein Kleidungsstück in der Hand hatte. Aber ich bin nicht so zerstreut, dass ich Lily mit etwas in der Hand nachgegangen sein könnte. Und wenn ich plötzlich gemerkt hätte, dass ich mit einem Höschen in der Hand die Straße langlief, dann würde ich mich jetzt garantiert daran erinnern.»
    «Ich frage mich, was es gewesen sein könnte, was Ihre Nachbarin gesehen hat.»
    «Ich hatte überhaupt nichts in der Hand.»
    «Sie waren mit Bridges-san eng befreundet.»
    Ich zögere. «Ja.»
    «Erzählen Sie mir von dieser Freundschaft.»
    «Nein.»
    «Lily war Ihre beste Freundin, nicht wahr?»
    «Mit der Zeit sind wir uns nah gekommen. Ich kannte sie nicht sehr lang.»
    «Weitere Freunde?»
    «Von mir oder ihr?»
    «Von Ihnen.»
    Von Teiji, meinem allerwichtigsten Freund von allen, werde ich ihm nichts erzählen.
    «Natsuko. Sie ist meine Kollegin. Bob. Er ist Amerikaner. Ich habe ihn beim Zahnarzt im Wartezimmer kennen gelernt. Ich habe ihm beigebracht, auf Japanisch zu sagen. Er ist Englischlehrer, er spricht also so gut wie kein Japanisch. Und Frau Yamamoto. Sie leitete das Streichquartett, in dem ich früher spielte. Und dann noch Frau Ide und Frau Katoh. Zweite Geige und Bratsche.»
    «Kannte Lily Bridges diese Leute?»
    «Nur Natsuko und Bob. Frau Yamamoto ist gestorben, noch bevor Lily nach Japan kam. Frau Ide und Frau Katoh hat sie nie kennen gelernt.»
    «Warum ist Lily Bridges nach Japan gekommen? Was waren Ihrer Ansicht nach ihre Motive?»
    «Sie stand auf Hello Kitty.»
    Er sieht argwöhnisch auf.
    «Ich weiß nicht, warum sie herkam.»
    Ich weiß es schon. Aber von Andy, ihrem Freund, der sie beschattete, ihr Abhörwanzen in die Handtasche praktizierte und einmal den Fensterputzer verprügelte, weil er auf seiner Leiter zum Schlafzimmerfenster hochgeklettert war, während Lily ihre Bluse wechselte, als hätte er wissen können, dass sie da drin war - davon werde ich ihm nichts erzählen. Ich werde ihm nicht erzählen, dass sie heimlich nach Japan kam und einen Job aufgab, den sie liebte, nur um diesem Freund zu entfliehen. Ich werde es ihm nicht erzählen, weil er es schon weiß. Das habe ich der Polizei schon alles erzählt. Und Bob hat's auch getan.
    Er steht auf, öffnet die Tür und lässt einen anderen herein. Jetzt sind sie zu zweit. Ich kneife die Augen zusammen, um die Kanjis auf ihren Namensplaketten zu entziffern. Der Alte heißt Kameyama (Schildkrötenberg), und der Neue ist Oguchi (Großmaul). Oguchi
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher