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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition)
Autoren: Alexandra Fischer
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weiteten sich. Ein unmenschliches Gurgeln
entrang sich seiner Kehle. Erstaunt griff er nach ihr, aber
seine Hand glitt an ihrer Schulter ab, und er sank auf die
Knie. Jacquotte starrte ihn verwirrt an. Der Schleier
lichtete sich für einen kurzen Moment, und sie erkannte
einen langen Speer, der L’Olonnais seitlich durchbohrt
hatte. Er sah aus wie ein Schwein am Spieß. Blut tropfte aus
seinem Mund und vermischte sich mit dem bereits
angetrockneten in seinem Gesicht. Er röchelte. Jacquotte
machte zwei Schritte rückwärts, bevor sie hinfiel und auf
dem Boden aufschlug. Sie vernahm das Herannahen von
Menschen. Es waren viele. So viele. Bronzefarbene Indios
stürmten auf die Lichtung. Sie spürte Hände, die an ihr
zerrten, sah fremde Gesichter und hörte eine gutturale
Sprache. Aber sie war müde. Wie ein Rudel Hunde stürzten
sich die Krieger auf L’Olonnais und hieben mit Äxten auf
seinen Kopf ein. Sein Blut benetzte die Bemalungen auf ihren
Körpern und wurde zu einer schwarzen Masse, die Jacquotte
mit sich zog. Der Kampf war vorüber. Sie war frei.

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    Epilog
     
    Der Duft der Limonenbäume erfüllte die Luft, als Pierre
von der Jagd zurückkehrte. Ein fuchsfarbenes Pferd schritt
an seiner Seite und trug die zerlegte Beute, während zwei
schwarze Hunde voraustrabten und wachsam ihre Ohren
aufstellten. Obwohl er sich bereits seit drei Monaten auf
Tierra Grande aufhielt, erschien es ihm unwirklich, wieder
in der Heimat zu sein. Vieles hatte sich verändert und doch
kam es ihm vor, als wäre er nie fortgewesen.
    Die Bukaniere lebten nach wie vor in versteckten
Siedlungen. Sie jagten Schweine und Rinder, aber die Zeiten
des Überflusses waren vorüber. Die Bestände schrumpften, und
die Bukaniere verlegten sich vermehrt auf die Holzfällerei.
Die Blutholzbäume brachten gute Preise, wenn man sie nach
Port de Paix transportierte, um sie dort an die Engländer zu
verkaufen. Breite Pfade zeugten von den stark frequentierten
Transportwegen, und Pferde waren zu begehrten
Fortbewegungsmitteln geworden. Pierre mied die Gegenden der
Baumfäller. Ihn zog es ins Herz der Insel, zu jenem Ort, den
er seit seiner Kindheit liebte.
    Er querte einen Bachlauf, zog mit lässigem Gruß an den
stetig wachsenden Feldern der Pflanzer vorbei, bis ihn seine
verheilenden Narben zwangen, auf einer Anhöhe zu
verschnaufen. Er lächelte, als sein Blick über die schlanken
Palmen schweifte, die zwischen gewaltigen Acajou- und
Mapou-Bäumen hervorlugten und ein Stück Küstenlinie
freilegten. All die Jahre war er Tierra Grande fern
geblieben, und erst in diesem Moment drang die Erkenntnis in
sein Bewusstsein, dass er die Schönheit der Insel stets in
seinem Inneren bei sich getragen hatte. Gemächlich setzte er
seinen Weg fort, bis er an die abfallenden Felsen gelangte,
deren Anblick ihm so vertraut war. Dünne Rauchschwaden
kündeten davon, dass der
boucan
bereit war, um das Fleisch
zu räuchern. Die Hunde bellten und Pierre begann, das Pferd
von seiner Last zu befreien. Ein frischer Wind wehte von der
Küste herüber und trieb den Rauch landeinwärts.
    »Du warst lange unterwegs!« Er drehte sich um und zog sie
in seine Arme. Es war ein Wunder, dass sie zu ihm
zurückgekehrt war. Als die Indianer ihr zu Hilfe eilten, war
sie dem Tod bereits näher gewesen als dem Leben.
    Er hielt sie eine Armlänge von sich entfernt und
beobachtete das Spiel der Sonne in ihren halblangen,
dunkelroten Haaren.
    »Die Schweine waren heute schwer zu finden«, gab er zu und
strich ihr über die Wange.
    Jacquotte betrachtete prüfend das Fleisch. »Mir scheint,
du hast die Ferkel verfehlt und mit deinen schwachen Augen
nur die betagte Muttersau getroffen!« Sie zog die Nase
kraus.
    Pierre grinste. »Halte deine Zunge im Zaum und verrichte
die Frauenarbeit, die dir zusteht«, neckte er sie. Jacquotte
schnitt ihm eine Grimasse und warf die mitgebrachten Knochen
ins Feuer.
    Später am Tag saßen sie in einen Umhang gehüllt auf dem
Vorsprung ihrer Höhle und blickten wie in alten Tagen zur
Île de la Tortue hinüber. Sie genoss den Druck seiner
fordernden Arme und das sanfte Ziehen, das sie noch von
ihrer leidenschaftlichen Vereinigung erfüllte. Manuels
Muscheln, die sie unverändert in der Höhle vorgefunden
hatten, als sie zurückgekehrt waren, ruhten in ihrer Hand.
Eine ungeahnte Zufriedenheit lähmte ihre Glieder. Bald würde
sie Manuel wiedersehen. Es war lange her.
    »Wir müssen morgen
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