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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition)
Autoren: Alexandra Fischer
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zeitig aufbrechen«, sagte Pierre.
    Jacquotte nickte und wandte ihm das Gesicht zu. »Versprich
mir, dass wir zurückkehren. Mit Manuel.«
    »Wir werden immer zurückkehren,
nanichi
.« Er drückte sie
an sich.
    Behutsam fuhr sie über die feine Narbe an seiner Brust,
die ebenso verblasste wie die Vergangenheit, für die sie
stand. Jacquotte legte ihren Kopf an Pierres Schulter und
hatte zum ersten Mal keine Zweifel mehr. Es war, als hätte
ihre Zeit bei den Eingeborenen sie zurück zu ihren Wurzeln
geführt.
    Während sie selbst aufgrund der schmerzvollen
Dämmerzustände kaum Erinnerungen an die endlosen Wochen
hatte, die sie am Golf von Darién zubrachten, war Pierre
regelrecht aufgeblüht. Die Wunden, die ihm L’Olonnais
zugefügt hatte, waren nicht lebensbedrohlich gewesen, und in
ihren wenigen klaren Momenten hatte Jacquotte ihn oft im
Gespräch mit den bronzefarbenen Menschen gesehen, die ihnen
das Leben gerettet hatten. Es war, als hätten sie am Ende
doch noch das Volk ihrer Mütter gefunden, obwohl sich
natürlich niemand an die Frauen erinnern konnte, die einst
Anani und Mencia genannt wurden.
    Sie hätten dort bleiben können, aber wie sich
herausstellte, war die Welt der Bruderschaft stärker. Aus
diesem Grund würden sie morgen auch mit der
La Poudrière
nach Cayone übersetzen. Jacquotte seufzte. Wenn es nach ihr
gegangen wäre, hätten sie noch weitere Monate auf Tierra
Grande zubringen können, doch die Inseln befanden sich
wieder einmal in Aufruhr. D’Ogeron war mit ehrgeizigen
Plänen nach Frankreich aufgebrochen. Er spielte mit dem
Gedanken, Teile der Halbinsel La Florida unter französische
Herrschaft zu bringen und ersuchte für dieses Unterfangen
die Gunst des Königs. Kaum war das Segel seines Schiffes am
Horizont verschwunden, nutzten die Einwohner der Île de la
Tortue die Gelegenheit, um gegen die lange verhasste
französische Handelskompanie zu rebellieren, die ihnen
Steuern aufzwang und mit ihren Restriktionen die gewohnten
Lebensweisen einschränkte. Ihnen zur Seite stellte sich mit
englischem Scharfsinn sogleich ein Mann namens Henry Morgan,
dem die Abwesenheit von D’Ogeron gerade recht kam, um den
Flibustier der Insel einen Besuch abzustatten. Neugierig und
ohne Führung folgten sie seinem Ruf und lauschten seinen
Versprechungen. Jacquotte grinste. Die Welt der
Bruderschaft, wie sie sie kannten, mochte es nicht mehr
geben, doch Henry Morgan arbeitete daran, eine neue zu
schaffen!
    Mit bebenden Nasenflügeln beobachtete Jacquotte am anderen
Tag das Näherkommen des Hafens von Cayone. Es war beinahe
ein Jahr her, dass sie und vier weitere Kapitäne dem
Olonnaisen auf seiner letzten Kaperfahrt gefolgt waren.
Damals war sie noch unter dem Namen Antoine Du Puits
bekannt. Ihr Herz klopfte. Von Crochu wusste sie bereits,
dass sich die Rückkehr der roten Jacquotte, der untoten
Roten, wie man sie inzwischen nannte, längst bis an die
Grenzen des spanischen Meeres herumgesprochen hatte. Doch
Jacquotte vermochte sich nicht vorzustellen, wie man sie
empfangen würde. Besonders der Baske, der einst ihren Tod
gefordert hatte, weilte wieder unter den Brüdern, und sie
fragte sich, welchen Einfluss er noch hatte.
    Mit erhobenem Kinn betrat Jacquotte einige Zeit später den
Hafen. Cayone breitete sich immer weiter aus, inzwischen
erreichten seine Ausläufer schon die schroffen Felsen, die
den Hafen auf natürliche Weise begrenzten. Sie richtete
sorgsam ihre Waffen und zupfte an den Ärmeln ihres Hemdes.
Der Wind fuhr durch ihre Haare, und mehrere Männer zeigten
bereits mit den Fingern auf sie. Gemeinsam mit Pierre ging
sie durch die bekannten Gassen, bis sie vor der Tür des
‚Antre Bourgne‘ standen. Pierre sah sie an.
    »Bist du bereit?«, fragte er.
    »Aye!« Sie holte Atem. »Ich bin der Hölle entkommen. Wie
viel schlimmer kann es werden?«
    Als sie den niedrigen Raum mit der abgestandenen Luft
betraten, verstummten augenblicklich alle Gespräche.
Jacquotte stemmte die Hände in die Hüften und ließ ihren
Blick über die anwesenden Männer schweifen.
    »Was ist?«, rief sie herausfordernd. »Noch nie eine Frau
gesehen, die es selbst mit dem Tod aufnimmt und die Geißel
der Spanier stellt?«
    Einzelnes Gelächter war zu hören, bis schließlich einer
brüllte: »Ein Hoch auf die untote Rote!«
    Die Männer standen auf, erhoben ihre Becher und kippten
Rum, bevor sie alle durcheinanderredeten. Jacquotte wurde in
den Tumult
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