Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition)
Autoren: Alexandra Fischer
Vom Netzwerk:
aufgebracht. Es hatte bereits zu viele Tote
gegeben, sie wollte nicht verantwortlich für weitere sein.
Erst als L’Olonnais befahl, die lädierten Schiffe auf den
Inseln im Westen des Hondurasgolfes instand zu setzen, sah
sie ihre Chance gekommen, ihm alleine gegenüberzutreten.
    Kaum auf den Inseln angekommen, zerstreuten sich die
Mannschaften, knüpften Netze aus dem Bast der Bäume, um auf
Schildkrötenfang zu gehen, und sammelten das
ambra de gris
ein, jenes Pech, welches sich zum Dichten der Schiffe
eignete, wenn man es mit Haifischtran weich machte. Nur die
Ältesten unter ihnen kannten die Plätze, an denen das
begehrte Pech vom Meer in derart großen Mengen angespült
wurde, dass es ganze Teppiche vor der Küste bildete.
Jacquotte verbrachte die ersten Tage damit, sich am Honig
der Waldbienen zu stärken und Unmengen an Quellwasser zu
trinken. Ihre Anspannung konnte sie jedoch nicht lindern.
Bald schon dehnte sie ihre Streifzüge aus, gefolgt von
Pierre und Bigford, die ihre Versprechen hielten und ihr
selbst dann folgten, wenn die Hitze des Tages jeden Schritt
zu einer Tortur werden ließ. Doch von L’Olonnais fehlte jede
Spur. Die Arbeiten an seinem Schiff gingen voran, aber der
Anführer blieb verschwunden.
    Es dauerte nicht lange, bis die Sehnsucht der Männer nach
ihrer Heimat wuchs. Ihre Lieder wurden leidenschaftlicher,
ihre aufsässigen Stimmen lauter. Streitereien waren an der
Tagesordnung, und Jacquotte wusste, dass es zu Meutereien
kommen würde, wenn nicht bald etwas geschah. Bisher war die
versprochene Prise ausgeblieben, die viele Brüder auf das
Schiff von L’Olonnais getrieben hatte, und den Kapitänen
fiel es mit jedem Tag schwerer, ihre Mannschaften zur
Ordnung zu rufen. Eines Nachts verschwanden mindestens
fünfzig Männer auf den Beibooten und tauchten nicht wieder
auf. Eine derartige Desertion hatte Jacquotte niemals zuvor
erlebt.
    »Wenn er nicht bald auftaucht, werden die Kapitäne Segel
setzen«, bemerkte Pierre. Er saß neben Jacquotte am Feuer
und sah zu den Männern hinüber, die faul unter den Bäumen
lagen. Das Schildkrötenfleisch saß ihnen fett in den
Knochen, und ihr Tatendrang war Gleichgültigkeit gewichen.
Nicht einmal Lieder erschollen über den nächtlichen Strand.
    »Wenn sie abziehen, wird es für mich einfacher.«
    Pierre stocherte im Feuer. Funken flogen auf und legten
sich auf Bigford, der daraufhin im Schlaf grunzte.
    »Ich werde mein Schiff meinem ersten Maat überlassen,
damit er es in die Heimat segeln kann. Erlaubst du, dass ich
bei dir anheuere?«
    Jacquotte sah überrascht auf. »Du bist jederzeit
willkommen auf der
La Poudrière
.« Sie zögerte. »Aber du
weißt, dass du das nicht zu tun brauchst.«
    Pierre nickte abwesend. »Meine Mutter gab dir einst den
Namen
nanichi
. Es bedeutet ‚mein Herz‘. Genau das warst du
für sie. Deshalb sollte ich immer auf dich Achtgeben. Du
hast mir meine Aufgabe nicht leicht gemacht. Doch dass es so
schwer wird, hätte ich nicht geglaubt.«
    Sie tauschten ein Lächeln, bevor Jacquotte wieder in die
Flammen starrte.
    »Ich bereue nicht, was ich getan habe. Jedes andere Leben
hätte mich eher zugrunde gerichtet. Aber ich denke viel an
Manuel.«
    Einem Impuls folgend griff sie nach Pierres Hand. Ihre
Augen verhakten sich ineinander.
    »Wenn es zum Äußersten kommt, dann bitte ich dich,
zurückzustehen. Manuel muss versorgt sein. Er ist meine
Familie.«
    Pierre wandte den Blick ab, und Jacquotte erkannte das
Spiel seiner Kiefermuskeln.
    »Versprich es mir!«
    »Aye! Aber das ist das letzte verdammte Versprechen, das
ich dir gebe.«
    Er zog seine Hand zurück und drehte ihr den Rücken zu, als
er sich zum Schlafen niederlegte.
    In der Morgendämmerung fielen Schüsse. Jacquotte fuhr
hoch. Sie war eingenickt und schalt sich einen Dummkopf,
während sie versuchte, sich zu orientieren. Pierre und
Bigford waren bereits aufgesprungen. Männer schrien und zwei
weitere Schüsse hallten über den Strand.
    »Wer ist der Nächste, der mir entgegentreten will?«
Jacquotte erkannte L’Olonnais‘ Stimme und blinzelte sich den
Schlaf aus den Augen.
    »Ihr macht die Schiffe seeklar. Hattet Ihr vor, ohne
meinen Befehl davonzusegeln?« Er hieb mit dem Säbel nach
Moïse Vauquelin, der rasch zurückwich. Männer drängten heran
und sahen, dass fünf ihrer Brüder blutüberströmt im Sand
lagen. Stimmengewirr erhob sich in die Luft.
    Michel Le Basque stellte sich Moïse
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher