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JoJo Und Ich

JoJo Und Ich

Titel: JoJo Und Ich
Autoren: Dean Bernal
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erzählt.«
    »Ja, ich weiß«, sagte sie mit einem Blick zu Papa. »Es ist nur so, dass du uns fehlen wirst.«
    Papa sagte gar nichts. Nicht einmal Ratschläge gab er mir wie sonst immer. Ich wollte meinen Eltern nicht wehtun. Die Turks and Caicos sind wirklich sehr weit weg. Aber ich gehörte dorthin. Außerdem würden Mama und Papa ja auch nicht allein sein, schließlich hatte ich noch zwei Brüder und zwei Schwestern, die ihnen Gesellschaft leisten konnten.
    »Ich komme bestimmt immer wieder nach Hause. Und vielleicht habt ja auch ihr mal Lust, mich zu besuchen.«
    »Geh nur, Herzchen«, sagte meine Mutter. »Ich weiß, dass da etwas ist, was du einfach tun musst. Das ist dein Weg.«
    Ich erklärte meinen Eltern, dass ich mich dauerhaft auf Providenciales – von den Leuten dort einfach Provo genannt – niederzulassen gedachte.
    »Ich möchte den Inselbewohnern und möglichst auch den wenigen Touristen vermitteln, wie wichtig es ist, das Meer und das Land zu schützen – und nebenher werde ich als Tauchlehrer in einem Ferienhotel arbeiten«, erläuterte ich abschließend und hoffte, sie würden mich verstehen. Papa hätte mich gern in unserem kleinen Familienunternehmen gesehen, aber Autos zu reparieren lag mir und meinem Bruder Al einfach viel weniger als ihm. Und das war schon immer so gewesen. Sicher, in meinen Jugendjahren hatte ich in der Werkstatt mitgeholfen – Vergaser reinigen, Ölwechsel –, konnte dabei aber an nichts anderes denken als daran, die Arbeit möglichst schnell hinter mich zu bringen. Mit den Gedanken war ich immer schon im Wald, wo ich mich am liebsten aufhielt, und atmete die würzige Kiefernluft ein. Die ewig ölverschmierten Hände, die ich hatte, waren mir zutiefst zuwider. Ich mochte mir die Nägel schrubben, so viel ich wollte, es blieben immer graue Ränder. Aber ich wusste auch, dass am Ende jedes langen Arbeitstages eine Entschädigung wartete.
    Das habe ich von meiner Familie gelernt: dass es ein Gleichgewicht gab von Öl und Wasser, Stahl und Laub, metallischem Klirren und dem Anstimmen meditativer Gebete.
    Ich musste in meiner eigenen Strömung schwimmen und hoffte, sie würden es verstehen. Das haben sie wohl auch getan. Denn meine Geschwister und ich verdanken unseren Eltern nicht nur eine hohe Arbeitsmoral, sondern auch einen ausgeprägten Sinn für den spirituellen Weg.
    Zum Abschied umarmten sie mich, und ich versprach, sie bald wieder in Kalifornien zu besuchen.
    »Bleib deinem Traum treu, lass ihn dir von niemandem nehmen«, flüsterte Mama mir ins Ohr, bevor sie mich zögernd losließ.
    Als ich ging, blickte ich noch einmal in ihr lächelndes Gesicht mit den blauen Augen und sah Papa eifrig winken. Sie hatten mir ihr Bestes und ein wunderbares Zuhause gegeben, jetzt aber war es für mich an der Zeit, den Blick in die Ferne zu richten. Ich konnte es kaum erwarten, die dunstige Wärme der Inseln wieder zu atmen.
    Als ich ankam, nahm ich mir nicht einmal die Zeit, meine Koffer auszupacken. Ich suchte nur meine Tauchsachen heraus und war auch schon auf dem Weg zum Strand von Grace Bay. Im Wasser war von den Delfinen nichts zu sehen. Ich schwamm über den Sandrücken weiter hinaus und hielt eifrig Ausschau nach ihnen. Dann war urplötzlich der eine Große Tümmler mit den beeindruckenden Augen da; er schnellte durch das aquamarinblaue Wasser, sprang durch die Luft und gab dabei hohe Pfeiftöne von sich. Als er sich Richtung Meer wandte, folgte ich ihm und überließ mich aufatmend der friedlichen weiten Einsamkeit des warmen Atlantiks.
    »Welchen Namen könnte ich dir geben?«, überlegte ich, als ich Wasser tretend anhielt, um mir den Gummigeschmack des Schnorchels aus dem Mund zu spülen. Kurz zuvor hatte ich John Neihardts Ich rufe mein Volk gelesen und erinnerte mich, dass die Verständigung mittels Pfeiftönen in der Lakotasprache JoJo genannt wird. »Was du so von dir gibst, wenn wir zusammen sind«, überlegte ich weiter, »enthält offenbar auch irgendwelche Mitteilungen, nicht wahr? Also werde ich dich JoJo nennen. Im Übrigen finde ich, dass jeder ein Tier als besten Freund haben sollte.«
    Als hätte er mich verstanden, schnalzte, trillerte und trällerte er weiter. Ich musste grinsen. Dieses Gespräch rührte etwas ganz Neues in mir an, aber bei aller Herzlichkeit drängte sich mir doch auch ein anderer Gedanke auf.
    »JoJo, wo sind eigentlich deine Freunde? Sind die beiden anderen nicht mehr da? Ich dachte, ihr würdet zusammengehören und euch nie
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