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Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt

Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt

Titel: Joel 4 - Die Reise ans Ende der Welt
Autoren: Henning Mankell
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schon im Hotel in Stockholm gewusst, als Samuel zur Tür hereinkam.
    Samuel war schwer krank und vielleicht würde er sterben.
    Joel ging so schnell, wie er konnte. Die kalte Luft schnitt in seinen Lungen.
    Plötzlich blieb er jäh stehen.
    Vielleicht war Samuel schon tot? Oder er lag im Krankenhaus?
    Joel ging noch schneller. Jetzt war er am Hügel. Bald würde er das Haus sehen. Sehen, ob in der Küche Licht brannte. Der Weg war leer. An den Seiten hatte der Schneepflug hohe Schneewälle aufgetürmt.
    Noch zwanzig Meter, dann würde er das Haus sehen. Er lief, obwohl er eigentlich stehen bleiben wollte. Endlich sah er das Haus. Das Küchenfenster leuchtete. Samuel war also nicht tot. Und er war nicht im Krankenhaus. Er war zu Hause.
    Joel ging langsamer. Er musste sich vorbereiten. Was erwartete ihn eigentlich? Was würde Samuel sagen, wenn er plötzlich in der Tür stand und sich den Schnee von den Schuhen stampfte? Joel hatte ihm keine Nachricht geben können, dass er heute Abend kommen würde.
    Er ging durch die Pforte, betrat den Hof. Dort hatte er vor einem Jahr gelegen und geschlafen. Als er beschlossen hatte, hundert Jahre alt zu werden, und sich abhärten wollte. Er schüttelte den Kopf. So was würde er nie mehr machen. Er öffnete die Haustür und lauschte. Dann ging er die Treppe hinauf. Lauschte wieder. In der Küche war es still. Er öffnete die Tür. Im selben Augenblick begriff er, dass er hätte anklopfen müssen. Samuel erwartete keinen Besuch. Er würde vielleicht glauben, dass es ein Dieb war.
    Er betrat die Küche. Die Tür zu Samuels Zimmer stand halb offen. Das Radio war stumm. Dort drinnen war es still. Joel legte den Seesack auf den Fußboden. Die Spüle war leer, das sah er. Keine Töpfe mit Angebranntem. Und keine leeren Flaschen.
    Er nahm seine Mütze ab, zog die Handschuhe aus und ging zur Kammertür.
    Samuel lag im Bett. Er war wach, sah Joel an. Er lächelte. »Du kommst also?«, sagte er. »Ich hab mir schon gedacht, dass du kommst. Aber ich wusste nicht, wann.« »Ich bin sofort losgefahren, als ich deinen Brief gekriegt habe.«
    Auf dem Tisch neben Samuels Bett standen Medizinflaschen. Und Samuel war blass. Unrasiert und blass. Obwohl er unter der Decke lag, sah Joel, dass er abgemagert war. Er hat nicht genug gegessen, dachte Joel. Vielleicht hat er nicht mehr ordentlich gegessen, seit ich weg bin. Um Joels Schuhe bildeten sich Wasserpfützen. »Ich zieh mir eben die Schuhe aus«, sagte er und ging in die Küche. Er zog seinen Stuhl an den Küchentisch. Der Stuhl schabte über den Fußboden. Joel kannte das Geräusch. Nachdem er Schuhe und Jacke ausgezogen hatte, ging er wieder in Samuels Zimmer und setzte sich auf Samuels Bettkante. »Du wächst und wächst«, sagte Samuel.
    »Ich bin jetzt eins siebenundsiebzig«, antwortete Joel.
    »Also bist du schon größer als ich.«
    Dann war es still.
    »Ich hab deinen Brief bekommen«, sagte Joel. Samuel verzog das Gesicht.
    »Ich musste es dir schreiben«, sagte er. »Aber wir brauchen jetzt nicht darüber zu reden. Wie lange willst du bleiben?« »Ich weiß nicht.«
    »Wir können morgen darüber reden.«
    Immer will er warten, dachte Joel. Niemals ist Samuel Gustafson geradewegs auf eine Sache zugegangen. Sein ganzes Leben ein merkwürdiger Umweg.
    »Ich weiß nicht, ob was zu essen da ist«, sagte Samuel entschuldigend. »Falls du Hunger hast.«
    »Ich hab keinen Hunger.«
    »Guck in der Speisekammer nach.«
    »Ich hab keinen Hunger.«
    »Aber ich hab dein Bett vorbereitet. Ich wusste doch, dass du nach Hause kommen und mich besuchen würdest.« Das ist eine wichtige Information, dachte Joel. Dann ist er also nicht so krank, dass er nicht auf den Beinen stehen kann.
    »Ich hab deinen Brief bekommen«, sagte er wieder. »Ich musste es dir schreiben.«
    Wir können doch nicht die ganze Nacht so sitzen, dachte Joel, und immer wieder dasselbe sagen. Ich frage und er antwortet. Und kommen nirgends hin.
    »Wir warten bis morgen«, sagte Samuel. »Du bist sicher müde.«
    »Wir können nicht bis morgen warten. Ich will wissen, was mit dir los ist.«
    Samuel nickte.
    Joel wartete.
    »Du erinnerst dich an den Sommer«, begann Samuel. »Ich erinnere mich.«
    »Da im Hotel. Wie ich Bauchschmerzen kriegte. Und dann die Sache mit dem Krankenhaus.«
    »Sie wollten dich schriftlich benachrichtigen.«
    Joel merkte, dass er solche Angst hatte, dass er zitterte. Jetzt war es ganz nah. Die Antwort, warum Samuel den Brief geschrieben hatte.
    »Ich habe
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