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Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Titel: Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief
Autoren: Henning Mankell
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stehen. Es gibt jemanden, dachte er. Der garantiert nicht petzt. Er drehte um und begann wieder zu laufen.
    Diesmal hatte er weniger Angst. Der Friedhof wirkte nicht so bedrohlich. Er stand vor Lars Olssons Grabstein. Dort hatte er seine Neujahrsgelübde abgelegt. Schon jetzt konnte er mitteilen, dass eins dieser Gelübde eingelöst worden war. »Ich habe eine Frau nackt gesehen«, sagte er. »Sonja Mattsson.« Der Grabstein war stumm.
    »Ich möchte, dass Simon wieder gesund wird«, murmelte Joel. »Ich will nicht, dass er stirbt.«
    Er bekam keine Antwort. Aber das hatte er auch nicht erwartet.
    Er lief wieder. Jetzt war er auf dem Weg nach Hause. Dort saß Samuel am Radio und wartete auf ihn. Oder war er vielleicht schon eingeschlafen?
    Aber als er die Küche betrat, brach wieder die schwarze Lawine über ihn herein.
    Samuel war nicht zu Hause. Er war verschwunden. Joel sank auf einen Stuhl und heulte los wie ein unglückliches Nebelhorn.
    Er konnte nicht mehr. Samuel mochte sich totsaufen, wenn er es denn unbedingt wollte.
    Aber er wollte es doch nicht? Davon war Joel überzeugt. Dauernd machte Samuel Sachen, die er eigentlich nicht wollte.
    Auf dem Tisch stand eine halb leer getrunkene Tasse Kaffee.
    Joel steckte einen Finger hinein. Der Kaffee war noch lauwarm.
    Joel sprang vom Stuhl auf.
    Das bedeutete, dass Samuel noch nicht lange weg war. Vielleicht konnte er ihn finden, bevor er wieder anfing zu trinken?
    Joel riss die Mütze an sich. Und war wieder draußen.

20
    Unbeweglich stand Joel auf der Straße. Er hielt die Luft an. Langsam sah er in beide Richtungen. Kein Samuel. Der Sternenhimmel über seinem Kopf war weg. Von nirgendwoher waren Wolken gekommen. Vielleicht würde es wieder schneien.
    Aber die Sterne konnten ihm sowieso nicht helfen Samuel zu finden. Weder der Große Bär noch der Orion konnten ihn dorthin navigieren.
    Joel dachte angestrengt nach.
    Selten ging Samuel mehrere Male hintereinander an denselben Ort zum Trinken. Also konnte Joel den Schuppen am Fluss, wo die Krähe und die Brüder Tomte zu saufen pflegten, ausschließen.
    Joel versuchte schnell zu denken. Am liebsten wollte er Samuel finden, bevor er angekommen war. Wohin auch immer er nun unterwegs war.
    In seinem Innern heulte immer noch das einsame Nebelhorn.
    Ich werd ihm eins aufs Maul geben, dachte er verbittert. Ich werde ihm die Nase umdrehen. Dass er glatt umfällt. Wenn ich es schaffe, Simon im Schneesturm durch den Wald zu schleppen, dann schaffe ich es auch, Samuel nach Hause zu schleppen. Und dann binde ich ihn im Bett fest. Joel ging in Richtung des westlichen Ortsrandes. Dort gab es zwei Stellen, wohin Samuel unterwegs sein konnte. Zuerst ging er langsam, dann immer schneller. Wenn Samuel sich in den Kopf gesetzt hatte, dass er etwas zu trinken haben musste, hatte er es immer eilig. Es war, als ob er Bauchschmerzen hätte und rasch aufs Klo müsste. Wie groß der Vorsprung war, wusste Joel nicht. Eine Tasse mit lauwarmem Kaffee war keine Uhr. Er ging schneller. Der Ort schlief. Hier bin nur ich, dachte Joel. Auf der Jagd nach Samuel. Und ich schwöre, dass ich ihm eins aufs Maul gebe, wenn ich ihn erwische. Dann werde ich ihn nach Hause schleppen. Oder sollte ich ihn lieber zum Müllplatz schleppen? Das Problem ein für alle Mal lösen. Dann kann ich den Bus nach Ljusdal nehmen und übers Meer nach Pitcairn Island fahren.
    Er überquerte die Bahngleise. Dort lag das große dunkle Gebäude der Schlachterei. Hier gab es weniger Straßenlaternen. Joel lief weiter. An der Straßenkreuzung blieb er stehen. Da entdeckte er Samuel. Es konnte kein anderer sein. Er war auf dem Weg zum Sägewerk hinauf. Dort gab es einige Stellen, wohin die Leute zum Saufen gingen.
    Joel war erleichtert und wütend, als er Samuel vor sich sah. Das bedeutete, dass er ihn rechtzeitig gefunden hatte. Noch hatte er sich nirgends mit einem Glas in der Hand oder mit einer Flasche niedergelassen.
    Joel begann zu laufen. Der Schnee knarrte unter seinen Stiefeln. Aber Samuel hörte ihn nicht. Er bemerkte Joel erst, als der an seiner Seite auftauchte.
    Samuel blieb stehen und sah ihn an. Aber dann ging er weiter.
    »Geh nach Hause, Joel. Verfolg mich nicht.«
    Jetzt ging Joel direkt vor Samuel. Rückwärts. »Du hast gesagt, dass du nicht mehr saufen willst. Oder hast du das nicht?«
    Samuel gab keine Antwort. Er versuchte an Joel vorbeizugehen. Aber Joel parierte. Jetzt war er wütend. So wütend, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen.
    »Komm mit mir
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