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Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief

Titel: Joel 3 - Der Junge der im Schnee schlief
Autoren: Henning Mankell
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Tresen. Auf einem Teller, auf dem normalerweise Würste lagen, lag jetzt ein Kopf. Immer noch sahen die dicken Tanten nichts. Nur Joel wusste, was da vor sich ging. Der Kopf sah aus wie der vom Bahnhofsvorsteher Knif und er trug eine Uniformmütze. Er hatte noch nicht zu Ende geträumt, da war der Schultag zu Ende. Jemand fragte ihn, ob er mitkommen wollte zum Spielen auf die Wiese vom Pferdehändler. Vielleicht lag schon genügend Schnee, sodass sie eine Rutschbahn machen konnten. Joel hatte große Lust mitzukommen. Aber er sagte trotzdem nein. Er hatte etwas zu erledigen, was nicht länger warten konnte.
    Er trieb sich auf dem Schulhof herum, bis der Windhund verschwunden war. Die Person, die er besuchen wollte, wohnte im selben Haus wie der Windhund. Er wollte nicht, dass sie es merkte. Dann würde sie sofort tratschen. Und sie konnte genauso gut tratschen, wie sie laufen konnte. Joel ging die Hügel hinauf zu dem Haus, in dem der Musiker und Mädchenheld Kringström wohnte. Er hatte eine Glatze und war dick und außerdem hatte er ein eigenes Orchester. Im letzten Jahr war Joel bei ihm zu Hause gewesen. Da wollte er Saxofon spielen lernen. Er erinnerte sich noch daran, wie Kringström ihn angestarrt hatte, die Brille in die Stirn geschoben. Kringström war erstaunt gewesen, dass er nicht Gitarre spielen lernen wollte wie alle anderen.
    Aber jetzt hatte Joel es sich anders überlegt. Darum war er auf dem Weg zu Kringström.
    Ein Rock-König musste Gitarre spielen können.
    Er ging weiter den Hügel hinauf. Der Windhund war verschwunden.
    Er war immer noch nicht ganz sicher, wofür er sich entscheiden würde. Rock-König oder Verkäufer von Wohnwagen zu werden. Wahrscheinlich machte es mehr Spaß, Rock-König zu sein. Mit der Gitarre in der Hand auf einer Bühne zu tanzen. »Hound Dog« direkt ins Mikrofon zu singen. Und vor der Bühne eine heulende Menschenmenge, die in erster Linie aus Mädchen bestand, die ihm Kleider und Haare abreißen wollten.
    Aber dann fiel ihm ein, dass es bestimmt anstrengend war, wenn man nie seine Ruhe hatte. Dauernd fotografiert zu werden. Niemals auf dem Bett lümmeln und träumen zu können.
    Er überlegte, ob ein Rock-König es sich jemals erlauben konnte, kindisch zu sein. Das bekümmerte ihn. Er würde das wohl kaum schaffen.
    Da war es doch was anderes, Wohnwagen zu verkaufen. Eigentlich hatte Samuel ihn auf die Idee gebracht. Sie hatten in der Küche gesessen und Mittag gegessen. Gebratenen Hering, Joel konnte sich immer noch daran erinnern. Vorsichtig hatte er Samuel gefragt, ob sie sich jemals ein Auto leisten könnten.
    »Das bezweifle ich«, hatte Samuel geantwortet. »Aber vielleicht fällt dir ja eine Methode ein, wie du ganz viel Geld verdienen kannst.«
    Joel hatte die Gelegenheit wahrgenommen und gefragt: »Als du Seemann warst, hast du bestimmt viel Geld verdient?«
    »Das glaub bloß nicht«, antwortete Samuel. »Aber man verbrachte lange Zeit draußen auf See. Dort konnte man das Geld nicht ausgeben, und wenn man an Land ging, hatte man viel gespart.«
    In dem Augenblick konnte Joel sehen, dass er sofort an Jenny denken musste, die er in der Zeit getroffen hatte, als er Seemann gewesen war. Samuel bekam einen traurigen Gesichtsausdruck. Es war, als ob Joels ganzer Papa in Wolken gehüllt würde. Und vielleicht sah er auch ein bisschen ärgerlich aus. Manchmal fragte Joel sich, ob er Mama Jenny nicht auch hasste. Weil sie ihn blamiert hatte, indem sie abgehauen war.
    Joel wechselte sofort das Thema, kehrte zu dem zurück, mit dem sie angefangen hatten. Geld. Wie konnte man ordentlich viel Geld verdienen ?
    »Nenn mir jemanden, der Geld verdient«, bat er.
    »Leute, die Wohnwagen verkaufen«, antwortete Samuel. Die Antwort hatte Joel überrascht. Aber Samuel hatte hinzugefügt: »In zehn Jahren wird jeder Schwede einen Wohnwagen besitzen, der hinten an seinem Auto hängt. Wer heute Wohnwagen verkauft, wird reich.«
    Aber wir werden keinen Wohnwagen haben, dachte Joel. Allenfalls wenn wir ihn ziehen wie zwei Pferde, Samuel und ich.
    Was soll man mit einem Wohnwagen, wenn man sich kein Auto leisten kann?
    In dem Augenblick war die übliche Wut über Joel gekommen. Die Wut, die immer auf der Lauer lag, wenn er daran erinnert wurde, wie wenig Geld sie hatten. Samuel und er waren arme Leute. Obwohl es niemanden mehr in Schweden geben sollte, der arm war. Aber dann war die Wut sofort in ein schlechtes Gewissen umgeschlagen. Samuel arbeitete und schuftete, wie er nur konnte.
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