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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt
Autoren: Mike Mignola
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etwas geöffnet wurde.
    Sie lehnte sich über die Brüstung. »Felix!«, rief sie und streckte das Pentajulum vor. »Ich habe dich lieb.« Molly brach die Stimme, und Tränen rannen ihr übers Gesicht. Ihr Schluchzen ließ sie erbeben, aber sie zwang sich, die Worte hervorzustoßen.
    »Du bist mein Vater gewesen. Der einzige Vater, den ich je hatte. Aber ich schaffe das schon. Ich verspreche dir, alles kommt wieder in Ordnung   – aber nur, wenn du gehst! Ich weiß, du hast Angst, aber wenn du nicht gehst, sterben wir alle. Du bringst mich um, und du zerstörst das wenige, das von der Stadt, die du geliebt hast, übrig ist   …«
    Molly stockte, als sie sah, dass das Felix-Geschöpf sich ihr zugewandt hatte. Die Tentakel an seinem Gesicht reckten sich jetzt zu demDach empor, auf dem sie stand, nicht mehr zu dem alten Gott im aufgeschlitzten Himmel. Cocteau hatte das wahre Wesen des Pentajulums nie verstanden, aber in einer Hinsicht hatte er richtig vermutet: Es konnte als Kanal fungieren, als Weg der Kommunikation.

    Nach wie vor kannte Molly die Geheimnisse des Pentajulums nicht, aber irgendwie kannte es die ihren.
    »Felix, bitte!«, schrie sie.
    Die Erde rumpelte noch immer, der Fluss stieg weiter, doch das Wesen war verstummt und betrachtete sie erwartungsvoll.
    »Gib mir das, du Miststück!«, donnerte Cocteaus Stimme.
    Molly fuhr herum. Zwei Gas-Männer hielten Cocteau aufrecht. Sein linkes Bein war verletzt, und frisches Blut lief ihm aus der Nase. Molly blickte sich gehetzt um, suchte nach einem Weg, auf dem sie vor ihm fliehen konnte. Dann warf Cocteau sich auch schon vor, doch sein linkes Bein gab nach. Er geriet ins Straucheln und prallte gegen Molly. Sie schrie auf. Cocteau griff in ihr Haar und entriss ihr das Pentajulum, während sie zusammen über die niedrige Brüstung stürzten.
    Molly kreischte, als das Wasser auf sie zuraste. Dann stürzten sie gemeinsam in den Mahlstrom des Flusses, und die Strömung riss beide fort.

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Kapitel 23
    U m Molly herum brodelte der kalte Fluss und schleuderte sie kopfüber umher. Ihre Brust brannte. Sie hatte keine Gelegenheit gehabt, vor dem Eintauchen Luft zu holen, und ihr Gehirn schrie nach Sauerstoff, während sie mit den Armen ruderte und mit den Füßen trat. Panik überfiel sie. Die Katastrophe, die sich über ihr abspielte, war in diesem Moment ohne jede Bedeutung, das Schicksal des Universums eine Frage für jemanden, der nicht ertrank.
    Zuerst brach ihre Hand durch die Oberfläche und griff in die Luft, dann sank ihr Arm wieder ins Wasser, aber wenigstens wusste Molly nun, wo oben war. Wieder kam sie an die Oberfläche und kämpfte gegen die reißende Strömung, während sie nach Luft schnappte und herrliche Erleichterung ihre Lunge flutete. Rauschhafter Triumph und Trotz überfielen sie, und sie blickte sich nach einem Halt um, nach irgendetwas, woran sie sich aus dem Wasser ziehen konnte. Die Strömung in Manhattan war der Erdstöße und der fremdartigen Schwerkraft wegen, die aus der zerfallenden Wirklichkeit von oben auf das Wasser wirkten, zu einer Sturzflut geworden.
    Die gellenden Schreie der Felix-Kreatur hallten von den Häuserfassaden wider. Das tiefe Knirschen und Rumpeln aufreißender Erde und berstender Fundamente und das Rauschen des Flusses dröhnten Molly in den Ohren. Mit einem raschen Blick nach oben sah sie wieder die gespenstische Manifestation des alten Gottes, eines Wesens, dessen Form und Größe sich ständig neu auszurichten schienen. Lange Tentakel griffen nach unten, wedelten wie Festtagswimpel im Wind, doch der Gott selbst pulsierte wie etwas, das in den tiefsten Meeresströmungen wogte. Beim Anblick der uralten Kreatur hätte Molly sich beinahe wieder in den Fluss sinken lassen, doch sie schüttelte den tückischen Drang ab und schwamm auf eine Kirche zu ihrer Rechten zu, ein Gebäude aus rauem Sandstein. Doch ehe sie es erreichte, erbebte das Gotteshaus und stürzte ein. Plötzlich brach eine ganze Seite des Bauwerks weg und glitt ins Wasser wie ein kalbender Eisberg.
    Erschöpft warf Molly sich herum. Verzweiflung erfasste sie, doch dann entdeckte sie links von sich das vertraute schwarze Metall einer Feuerleiter. Mit kräftigen Schwimmzügen, unter Aufbietung aller Kraft, durchschnitt sie das Wasser. Die Strömung zerrte an ihr, und mehrere schreckliche Sekunden lang fürchtete sie, die Leiter nicht zu erreichen, ehe der Fluss sie daran vorbeizog, doch sie streckte die Hand aus, trat ein letztes Mal heftig Wasser und
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