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Joe Golem und die versunkene Stadt

Joe Golem und die versunkene Stadt

Titel: Joe Golem und die versunkene Stadt
Autoren: Mike Mignola
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und stieß dabei ein hysterisches Lachen aus. Dann wandte er sich von ihr ab und machte sich wieder daran, das Pentajulum zu bearbeiten. Molly streckte erneut die Hand nach ihm aus, doch Cocteau stieß sie von sich. Sie prallte gegen die Brüstung. Schmerz schoss ihr durch den Rücken, und beinahe wäre sie über die Brüstung am Dachrand gestürzt.
    Sie blickte nach unten. Fünfunddreißig Fuß tiefer, im aufgewühlten Fluss, blitzte glänzendes Schwarz auf. Der riesige Aal brach aus dem Wasser hervor. Noch immer hielt er Joe umwunden, und Joe drosch nach wie vor auf den Kopf des Ungeheuers ein. Dessen Schädel war an mehreren Stellen eingedrückt. Blut und grauer Schleim tropften heraus. Der Aal krachte zurück in den Fluss und riss Joe mit sich   – oder genauer gesagt den Mann aus Stein, der aus Joe geworden war; noch so eine Sache, die Molly nicht verstand.
    Sie wandte sich wieder den Gas-Männern zu und blickte auf Dr.   Cocteau. Zu ihrer Überraschung leuchtete das Pentajulum in seinen Händen auf. Lichtblitze liefen die befremdlichen Windungen und unmöglich anmutenden Winkel entlang. Molly schaute hinauf zu den Schlitzen aus Finsternis am Himmel, auf die Ewigkeit des Nichts darin und auf das Wesen, das sich dort materialisierte. Ihre Haut kräuselte sich unter seiner Präsenz, und ihr wurde übel. Irgendwie wusste sie: Was immer jetzt geschah, es verlief nicht nach Cocteaus Plan.
    Das Wesen, das Felix gewesen war, trieb noch immer auf dem Fluss, halb im, halb über dem Wasser. Seine Gesichtstentakel reckten sich dem alten Gott im Himmel zu, der sein Vater sein musste, wie Molly instinktiv wusste. Vor Schmerz und Trauer kreischte er noch lauter. Molly erstarrte, blickte ihn an, dachte an Felix und erkannte, dass etwas von ihm noch immer dort war und sich schrecklich fürchtete.
    Er wollte nicht fort.
    Das war es, was den alten Gott hierher gezogen hatte: Felix wollte nicht fort. Und so wenig Molly nicht wollte, dass er wegging, fürchtete sie um die Stadt, um ihre ganze Welt. Diese Welt war verloren, wenn die Wesen, die diese Realität einst aufgegeben hatten, beschlossen, sich erneut darin niederzulassen.
    »Dr. Cocteau!«, rief sie. »Sie müssen   …«
    Molly beendete den Satz nie. Cocteau achtete gar nicht mehr auf sie. Ihn interessierte nur sein Kontakt mit dieser kosmischen Intelligenz, als könne er selbst irgendeine Art Göttlichkeit erlangen, wenn sie ihn bemerkte; als könne er wirklich überleben, falls sein Plan funktionierte; als könne er wirklich zwischen den Wirklichkeiten reisen und den undimensionalen Limbusraum erkunden.
    Molly eilte an seine Seite. Ein Gas-Mann bemerkte sie und versuchte sie aufzuhalten, doch ehe er sie packen konnte, trat sie Cocteau mit aller Kraft gegen das Knie. Der Wahnsinnige brüllte vor Schmerz auf und stürzte. Molly riss ihm das Pentajulum aus den Händen. Er versuchte es festzuhalten, doch sie stampfte ihm mit dem Fuß auf den Arm und tänzelte aus seiner Reichweite, während er abermals aufschrie.
    Molly fand, dass er jeden Schmerz verdiente, den sie oder die Welt ihm antun konnte; dennoch hatte sie ein schlechtes Gewissen. Doch für Schuldgefühle war jetzt nicht der richtige Moment.
    Molly fuhr herum zu der Kreuzung, wo das Felix-Wesen noch immer seine Traurigkeit hinausbrüllte. Sie hielt das Pentajulum vor sich, fuhrmit den Fingern über die Windungen und wünschte, sie könnte irgendwie herausfinden, wie man es handhabte. Über das Pentajulum gab es zahllose Theorien. Vielleicht verstärkte es eine bereits vorhandene Zauberkraft, in welchem Fall Molly Pech hätte, denn sie besaß keine magischen Fähigkeiten. Unter ihren Fingern fühlten die Windungen sich wie ein Gewirr aus heiß und kalt an, und es leuchtete in merkwürdigem Grün und Magenta, wenn die Farben auch anders wirkten, als Molly sie je gesehen hatte.
    Dann begannen die Farben sich zu verschieben und zu wogen, und irgendwoher wusste sie plötzlich, worauf das Pentajulum reagierte: auf Bedürfnisse, Wünsche, Sehnsüchte. So war es immer schon gewesen, bei all seinen Besitzern.
    Molly spürte, dass das Pentajulum sich ihrer bewusst war. Es nahm ihr Verlangen wahr, und es sah die Reinheit ihrer Sehnsucht. Sie wollte es nicht als Waffe oder Geißel oder als Werkzeug, das ihr ein Vermögen einbringen oder ein Königreich erobern sollte. Sie begehrte nichts, aber sie suchte Verständnis. Und als sie spürte, wie sich im Pentajulum irgendetwas löste, merkte sie zugleich, dass auch in ihr selbst
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