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Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)

Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)

Titel: Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)
Autoren: Thomas Bleskin
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Er hat kein ausreichendes Einkommen und ist auf Stütze angewiesen.
Das soll sich mit der Solokarriere ändern; aber noch steht alles auf wackligen
Beinen. Seit Jahren plagen Joachim heftige Panikattacken: Immer wieder und
immer öfter zittert er am ganzen Körper, hat das Gefühl, in seinem Kopf werde
alles immer enger, er bekommt keine Luft und glaubt, er müsse sterben. Es ist
grauenhaft, jedes Mal. Es ist die schlimmste Zeit in seinem Leben, und niemand
kann ihm so richtig sagen, was mit ihm eigentlich nicht stimmt. Schon beim
kleinsten Anzeichen einer möglichen Gefahr - etwa einem fernen Sirenengeheul
oder der Fahrt durch einen Tunnel - kriecht die Angst in seinen Kopf. Selbst
der bloße Gedanken daran kann einen Angstschub auslösen. Manchmal - bei akuten
Attacken - kann ihm sein Freund und Psychologe Reinhold Zobel beruhigen,
manchmal hilft Valium, manchmal aber auch gar nichts. Seine desaströse
finanzielle Lage, seine Verantwortung für die Familie und sein von Misserfolgen
gekrönter künstlerischer Ehrgeiz bringen ihn nicht nur an den Rand der
Verzweiflung - Joachim Witt denkt sogar: Hat es Sinn, weiterzumachen?
Weiterzuleben? Heute würde man von einer extremen Form von Burnout sprechen.
Witt verarbeitet diese extremen Erfahrungen im «Goldenen Reiter». Dieser Titel
ist der inhaltliche Schwerpunkt des Albums, jede Zeile ist Joachims gelebter
Ernst - wenn auch lyrisch ins Groteske überhöht. Der «Reiter» ist die Essenz
aus Witts bisherigem Leben, von dem er hofft, dass es sich mit «Silberblick»
ändern wird.

Doch als die Platte im Dezember 1980 in die Läden kommt, passiert so gut wie
gar nichts. Auch nicht im Januar 1981, nach der Auskopplung von «Kosmetik». Im
Mai folgt «Goldener Reiter» - wieder nichts. Dabei war der Titel eigens für die
Singleversion von keinem Geringeren als Klaus Voormann neu abgemischt worden,
jenem Klaus Voormann, der als einer der wenigen Deutschen in den 60ern in der
britischen Beatszene Fuß gefasst hatte. Voormann hatte den Beatles ihren
Haarschnitt verpasst, das Cover des Albums «Revolver» entworfen und später in
John Lennons Plastic Ono Band den Bass bedient. Nach Lennons Tod war er aus den
USA nach Deutschland zurückgekehrt, um sich in der heimatlichen Szene
umzusehen. Er erkennt Joachim Witts Potenzial - und dass dessen Erfolg
ausbleibt, verwundert ihn zutiefst.

Witt ist über alle Maßen enttäuscht; er glaubt an seine Songs. Die Zeit ist
reif, das weiß Joachim, immerhin haben andere Künstler mit einem ähnlichen
Anspruch - etwa Ideal oder DAF - inzwischen außerordentlichen Erfolg. Warum
nicht auch er? In den Diskotheken wird der «Reiter» gespielt, die Kids sind
begeistert, die Signale stimmen eigentlich. Nur die Verkäufe bleiben aus. Als
er eines Abends im Herbst 1981 durch die Barnerstraße in Hamburg spaziert und
vor Hausnummer 36, der legendären Konzerthalle «Fabrik», eine riesige
Menschenmenge sieht, will er unbedingt wissen, welcher Künstler so viel
Publikum zieht. Es ist Ideal, die Band von Sängerin Annette Humpe, die wie
Joachim 1980 ihr selbstbetiteltes Debüt veröffentlicht hatte. Witt kann sich
seinen offensichtlichen Flop nicht erklären - die Panikattacken bleiben. Seine
Verzweiflung mündet in verbissenen Arbeitseifer; er beginnt mit den Aufnahmen
einer zweiten LP, die wesentlich härter, skurriler und düsterer werden soll als
sein Erstling. Er will es als Solokünstler unbedingt schaffen und lehnt sogar
das Angebot ab, eine dieser neuen Bands mit dem Namen Trio zu produzieren. Die
Aufnahmen zu «Edelweiß» sind fast abgeschlossen, als Joachim Witt die Einladung
in den «Musikladen» erhält - für ihn völlig überraschend.

Die Redaktion der ARD-Show hatte bei WEA Records angefragt, ob nicht einer der
dort ansässigen Künstler in der Sendung auftreten könne. Geschäftsführer
Siegfried Loch will unbedingt seinen Schützling Marius Müller-Westernhagen
schicken, doch TV-Promoterin Elfi Küster steckt auch den «Goldenen Reiter» in
die Tasche, als sie zu Radio Bremen fährt. Regisseur Michael Leckebusch hört
sich brav Westernhagens Nummer an und ist mäßig begeistert. Küster sagt ihm,
sie habe noch etwas ganz Besonderes dabei, holt den «Reiter» aus der Tasche und
spielt ihm die Platte vor. Leckebusch legt sich sofort fest - er will unter
allen Umständen diesen Joachim Witt in der Show haben. Bei der Aufzeichnung am
7. November 1981 schließlich bewegt sich Joachim vor Millionen Zuschauern zum
Vollplayback des
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