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Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)

Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)

Titel: Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)
Autoren: Thomas Bleskin
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rhythmischen Patterns und
Feedbackgitarren, die selten weniger als 20 Minuten dauern, und es kracht und
scheppert, dass dem deutlich älteren Joachim dann und wann die Ohren wehtun.
Aber die Sessions mit Tondefekt, wie sich das Ensemble nennt, machen ihm einen
Heidenspaß. Mehr allerdings auch nicht.

In London verbringt Joachim eine angenehme Zeit; er sieht sich die
Wallfahrtsorte seiner musikalischen Helden an, atmet das Flair der
Geburtsstätte europäischer Popmusik und kommt - kurz gesagt - wieder etwas zur
Ruhe. Sein Retroprojekt, passenderweise Retromania genannt, bleibt aber eine
Idee. Joachim hat sich zwar in den Kopf gesetzt, halluzinogene Soundgebilde à
la Amon Düül 1972 zu machen, landet am Ende aber immer wieder bei
Songstrukturen, die mit der Ursprungsidee des Krautrock nichts mehr zu tun
haben. Was ihm aber weiterhin gefällt, ist der alte Hippiegedanke der absoluten
Freiheit, den er als Gegenentwurf zum autoritären Kommandoton der «Werkreihe
Bayreuth» in Musik umsetzen will - falls er noch eine weitere Platte machen
sollte.
    Die Initialzündung für Joachims neues Album kommt von Harry
Gutowski. Witt sieht im ZDF Guido Knopps Dokumentarfilm «Die Machtergreifung»,
zu der Harry zusammen mit Axel Wernecke die Musik geschrieben hatte. Der Score
ist bombastisch, bedrohlich und erhaben zugleich - genau so, denkt Witt, müsste
«Bayreuth eins» im neuen Jahrtausend klingen. Ihm kommt erst der Arbeitstitel
«Kathedrale der Popmusik» in den Sinn, kurz darauf folgt «DOM». Witt ist sich
im Jahr 2010 aber noch gar nicht so sicher, ob er sich den ganzen Stress des
Musikgeschäfts mit über 60 Jahren noch einmal antun will. Doch er wird
überredet.

Michelle Leonard ist es, die ihn überzeugt, das Konzept «DOM» in die Tat
umzusetzen. Joachim betraut die 37-Jährige mit der Aufgabe, ein Team für die
Produktion der Platte zusammenzutrommeln. Ein Team? Für Joachim Witt, den
notorischen Eigenbrötler? Zuerst ist es Produzent Kiko Maasbaum, den Michelle
ihm vorstellt - mit Kiko hatte sie ihren DSDS-Charterfolg «Love is you»
komponiert. Und Joachim ist selbst überrascht: Die Zusammenarbeit funktioniert,
tatsächlich. Sein altes Muster, lieber alles allein zu schreiben, wirft er für
«DOM» über Bord. Da aber Kiko - inzwischen für die Produktion von Unheilig mit
dem Echo dotiert - kurzfristig für andere Produktionen verpflichtet wird, muss
sich Michelle erneut umsehen und bringt Joachim mit Mirko Schaffer zusammen.
Ebenso wie Kiko gehört Mirko zu den erfolgreichsten Producern Deutschlands; er
hatte sich unter anderem mit den Soundtracks der Filme «Keinohrhasen» und
«Zweiohrküken» und Abmischungen für Paul van Dyk oder Farin Urlaub einen Namen
gemacht. Auch mit Mirko, dem vor der Arbeit an „DOM“ noch die Produktion der
Ärzte-Platte „auch“ ins Haus steht, klappt die Zusammenarbeit bestens. So
entstehen die meisten Tracks gemeinsam in Michelles kleinem Berliner Studio -
eine Art des Komponierens, die Joachim das letzte Mal bei Duesenberg
ausprobiert hatte. Kollaborationen sind für Witt zwar spätestens seit „Die
Flut“ kein Tabuthema mehr, aber das Wagnis, die Kunst eines einzelnen dem
Talent vieler anzuvertrauen, bedarf einer gewissen… nun ja... Altersweisheit.
Joachim macht gern Scherze darüber. Aber auch Witt muss zugeben, dass ihm der
Schmelztiegel aus so unterschiedlichen Co-Songwritern wie dem Selig-Gitarristen
Christian Neander oder dem britischen Grand-Prix-Urgestein Andy Hill geholfen
hat, „DOM“ in eine Form zu bringen, die seinem ewigen inneren Disput zwischen
Andersartigkeit und breiter Akzeptanz folgen kann.

Sogar bei seinen Texten lässt er zum ersten Mal Hilfe zu. Normalerweise sitzt
Witt etwa vier Stunden an einem Text, schläft eine Nacht darüber und korrigiert
am nächsten Tag, was ihm nicht gefällt. Diesmal geht er noch einen Schritt
weiter und bespricht nicht wenige seiner Zeilen mit Mario «Malo» Wesser, den
Joachim wegen seiner Beiträge für die Band Deichkind schätzt. Die Arbeiten an
den Tracks ziehen sich über mehr als ein Jahr hin. Die Koordinierung übernimmt
Michelle, die auch zahlreiche Titel mit komponiert – darunter «Das letzte Licht
im Ozean», einen Song, den sie Jahre zuvor zusammen mit Martin Fliegenschmidt
als möglichen Nachfolger von «Die Flut» konzipiert hatte. Ende und Neuanfang -
die Säulen der Evolution - werden zu zentralen Themen des Albums.

Im April 2011 erlebt Joachim einen Moment, den er in seinem Leben erst
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